Lidokino 1 – Politische Filme in Venedig: Kino gegen Rechtspopulisten
Lidokino 1: Die 75. Filmfestspiele von Venedig sind in diesem Jahr bemerkenswert „politisch“ aufgestellt. Ryan Gosling ist auch da
Mond macht Laune. Ist schön anzusehen, bietet sich als Projektionsfläche in vielerlei Hinsicht an und sorgt nicht erst seit dem erfolgreichen Besuch von Menschen auf ihm immer wieder für Geschichten auch fürs Kino. Perfekt für die Eröffnung der 75. Ausgabe der Filmfestspiele von Venedig am Donnerstag, wie es scheint.
Die Regie bei „First Man“, so der Titel des Films über die erste bemannte Mondlandung, führte der US-Amerikaner Damien Chazelle. Vor zwei Jahren schon setzte er mit seinem Kinohit „La La Land“ einen leichtfüßigen Auftakt für die Filmfestspiele. Erneut hat er Ryan Gosling als Hauptdarsteller, diesmal in der Rolle des Astronauten Neil Armstrong.
Welt- und Zeitgeschichte bilden eines der großen übergreifenden Themen des Programms dieser „Mostra“, wie sie im Italienischen kurz für „Mostra internazionale d’arte cinematografica di Venezia“ genannt wird. Fast, als habe man für die erste Ausgabe des Festivals seit der populistisch-rechten Regierungskoalition Italiens von Cinque Stelle und Lega einen Gegenakzent mit engagierten Themen wählen wollen, ist dieser Jahrgang bemerkenswert „politisch“ aufgestellt.
Allen voran der Wettbewerb: „Napszállta“ (Sunset) von László Nemes, Regisseur des Holocaust-Films „Son of Saul“, erzählt aus dem Budapest des Jahrs 1913 am Vorabend des Ersten Weltkriegs, während „Capri-Revolution“ von Mario Martone in seiner Erzählung ein Jahr später ansetzt, unmittelbar vor dem Kriegseintritt Italiens. „Roma“ des mexikanischen Regisseurs Alfonso Cuarón zeichnet aus der jüngeren Vergangenheit ein Bild der politischen Unruhen in Mexiko während der siebziger Jahre.
Noch ein Film über Breivik
Ganz gegenwärtig präsentiert sich „What You Gonna Do When the World’s on Fire?“ des italienischen Regisseurs Roberto Minervini über die wiedererstarkte rassistische Gewalt gegen Afroamerikaner in den USA, während „22 July“ von Paul Greengrass – unter anderem verantwortlich für die „Jason Bourne“-Actionfilme – sich dem norwegischen Massaker von Anders Breivik widmet – der zweite Spielfilm über den Massenmord nach Erik Poppes „Utøya 22. Juli“.
Mit „Hafat“ (Screwdriver) von Bassam Jarbawi nimmt sogar zum ersten Mal ein Film aus Palästina in Venedig am Wettbewerb teil. Und „Peterloo“ vom britischen Altmeister Mike Leigh schließlich erinnert an das Peterloo-Massaker auf dem St. Peter’s Field nahe Manchester 1819, bei dem 15 Teilnehmer eines friedlichen Protests gegen Getreidezölle von der Kavallerie getötet und 400 verletzt wurden.
Der weibliche Boxer
Was politische Themen betrifft, kann man ansonsten außer Konkurrenz gespannt sein auf den Dokumentarfilm „Verlorene Seelen – Die Kinder der ISIS“ von Francesca Mannocchi und Alessio Romenzi. Die Filmemacher gehen dem Schicksal der halben Million Kinder und Teenager nach, die in Mossul in den vom IS kontrollierten Schulen und Camps während der Besetzung durch die Terrormiliz zu Märtyrern ausgebildet wurden.
Die Nebenreihe „Giornate degli autori“ hat unterdessen einen „weiblichen Boxer“ als eigenes Plakatmotiv gewählt, um auf die Kritik an der geringen Repräsentanz weiblicher Filmemacher beim Festival zu reagieren – im „großen“ Wettbewerb etwa ist die Australierin Jennifer Kent mit „The Nightingale“ als einzige Frau weit und breit angetreten. Aus Deutschland wird Florian Henckel von Donnersmarck mit seinem von Gerhard Richters Leben inspirierten fiktiven Künstlerfilm „Werk ohne Autor“ als „Löwen“-Kandidat dabei sein.
Inhaltlich klingt das durchaus spannend. Welche Filme dann am stärksten zu überzeugen wissen, etwa in ihrer Haltung – Populismus gibt es immerhin auch im Kino –, wird sich erweisen.
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