Libyens selbsternannte Nationalarmee: G7 erhöhen Druck auf General Haftar
Libyens mächtiger General Chalifa Haftar will das Land unter seine Kontrolle bringen. Er zeigt sich selbstbewusst und brüskiert die Vereinten Nationen.
Der UN-Sicherheitsrat hatte Haftar und seine selbst ernannte Libysche Nationalarmee (LNA) am Freitag aufgerufen, alle militärischen Bewegungen zu stoppen. „Es kann für den Konflikt keine militärische Lösung geben“, sagte der deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen in einer Erklärung, die er im Namen des Sicherheitsrates verlas.
Das Signal des Sicherheitsrats sei auch klar an Haftar gerichtet, sagte Maas. Die G7-Runde sei sich einig gewesen, „dass wir all unsere Möglichkeiten nutzen müssen, um Druck auszuüben, insbesondere auf die Verantwortlichen in Libyen, insbesondere General Haftar, dass jede weitere militärische Eskalation unterbleibt“. Auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow rief die libyschen Konfliktparteien bei einem Besuch in Ägypten zu einem Dialog ohne Vorbedingungen auf.
Die Appelle blieben zunächst ungehört. Augenzeugen meldeten am Samstag Gefechte südlich von Tripolis. Haftars Gegner versuchten offenbar, dessen Nachschubwege abzuschneiden. Loyal zu General Chalifa Haftar stehende Kämpfer in Libyen haben nach eigenen Angaben den wichtigsten Flughafen der Hauptstadt Tripolis eingenommen. Das Medienbüro des Generals teilte am Samstag mit, Truppen hätten nach Gefechten mit rivalisierenden Milizen auch ein Gebiet südlich der Stadt erobert. Der Flughafen ist seit 2014 außer Betrieb. Bei Kämpfen wurde damals ein Großteil der Anlage zerstört.
Ruf eines Militärs, für den Politik an zweiter Stelle kommt
Weder von der Regierung in Tripolis, deren Milizen noch den Vereinten Nationen gab es zunächst eine Stellungnahme. Haftar hatte seinen Truppen am Donnerstag den Befehl zum Vormarsch auf Tripolis gegeben, wo die international anerkannte Regierung von Fajis al-Sarradsch sitzt. Der 75 Jahre alte General will die Hauptstadt einnehmen und das ölreiche Land unter seiner Führung vereinen. Allerdings muss er in Tripolis mit starkem Widerstand rechnen, weshalb Beobachter einen neuen Bürgerkrieg fürchten.
Die Operation des Generals bedeutet eine neue Eskalation in Libyen, das seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 von Krisen erschüttert wird. Seit Jahren konkurrieren etliche Milizen um die Macht, auch zwei Regierungen rivalisieren miteinander: eine in Tripolis, eine mit Haftar verbündete im Osten. Mehrere UN-Vermittler scheiterten daran, eine Lösung zu finden.
Haftar hat sich in den vergangenen Jahren zur einflussreichsten Figur Libyens entwickelt. Er genießt den Ruf eines Militärs, für den die Politik erst an zweiter Stelle kommt. Einst unterstützte er Gaddafi und gehörte zu dessen Kräften, als dieser 1969 an die Macht kam. Später aber kam es zum Bruch. Als Haftar 1987 im benachbarten Tschad in Gefangenschaft geriet, ließ Gaddafi ihn dort sitzen. Frei kam er mit Hilfe der USA, wo er anschließend über zwei Jahrzehnte im Exil lebte. Aus der Zeit stammt auch der Vorwurf, ein CIA-Agent zu sein.
Nach seiner Rückkehr nach Libyen 2011 versuchte er schon einmal, sich an die Macht zu putschen, scheiterte aber kläglich. Zuletzt konnte er aber seinen Einfluss mit einigem Geschick vom Osten des Landes bis weit in den Westen ausdehnen, häufig ohne großen Widerstand. Dafür setzte er auf ein Bündnis mit lokalen Milizen in einem Land, das in viele Ethnien und Stämme aufgeteilt ist. Sympathien findet Haftar bei Libyern, die dem jahrelangen Chaos überdrüssig sind und auf einen starken Mann hoffen, der das Land regiert und stabilisiert.
Gute Kontakte zu Saudi-Arabien und Russland
Haftar inszeniert sich dabei als Vorkämpfer gegen vermeintlich radikal-islamische Kräfte und kann nicht zuletzt deswegen auf Unterstützung aus dem Ausland zählen, vor allem aus Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Sie sehen den General als ihren Mann, um die islamistischen Muslimbrüder zu bekämpfen, die sie zur Terrororganisation erklärt haben. Gute Kontakte pflegt Haftar zudem zu Saudi-Arabien und Russland, auch Frankreich unterstützt ihn. Zu seinen Truppen gehören Söldner aus dem Tschad und dem Sudan.
Doch Kritiker warnen, weil sie in dem 75-Jährigen einen wendigen Militär sehen, der das Land einer autoritären Herrschaft unterwerfen will. Zwar bekannte sich Haftar mit Worten zu Wahlen, unternahm aber nichts, um sie umzusetzen. Stattdessen sagte er dem Magazin Jeune Afrique im vergangenen Jahr, Libyen sei noch nicht reif für die Demokratie: „Vielleicht können sie spätere Generationen erreichen.“
Haftar scheint sich seiner Sache sicher zu sein und brüskierte sogar die UN. Den Beginn der Offensive verkündete er, während UN-Chef Antonio Guterres in Tripolis weilte. Dieser wollte in Libyen die Versöhnungskonferenz vorbereiten, die die UN organisieren.
Libyen-Beobachter halten Haftar jedoch längst nicht für so stark, wie er sich gibt, weil er seine Kräfte überdehnt habe. Sein Bündnis mit lokalen Milizen ist lose und könnte wieder auseinanderfallen. „Haftar hat sein Blatt überreizt“, twitterte der Libyen-Experte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Wolfram Lacher.
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