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LibyenSarkozy rehabilitiert Wüstenstaat

Frankreichs Präsident besucht Libyen. Paris soll im Gegenzug für die Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern militärischen Schutz zugesichert haben.

Gaddafi gibt sich als cooler Staatsmann, Sarkozy kommt ins Schwitzen Bild: ap

PARIS/TRIPOLIS/SOFIA taz/dpa/rtr Einen Tag nach der Befreiung der bulgarischen Krankenschwestern ist der französische Präsident Nicolas Sarkozy am Mittwoch in der libyschen Hauptstadt Tripolis eingetroffen. Der Besuch solle helfen, "Libyen wieder ins das Konzert der Nationen aufzunehmen", betonte Sarkozy. Nach unbestätigten Informationen soll Frankreich Libyen in den Verhandlungen über das Schicksal der inhaftierten Krankenschwestern militärischen Schutz im Angriffsfall zugesichert haben. Neben einer "strategischen Partnerschaft" habe Sarkozy Libyen außerdem die Aufnahme in die westafrikanische Währungsgruppe CFA in Aussicht gestellt, berichtete die Zeitschrift "Le Point" am Mittwoch auf ihrer Webseite.

Die Anti-Atombewegung "Sortir du nucléaire" warf Sarkozy vor, die Befreiung der Krankenschwestern im Gegenzug für Hilfen beim Aufbau libyscher Atomkraftwerke erreicht zu haben. "Sarkozy scheint schon vergessen zu haben, dass es sich bei (dem libyschen Revolutionsführer) Muammar el Gaddafi um einen Diktator handelt. Zivile Atomtechnologie an Libyen zu liefern bedeutet, dem Land zu helfen, Atomwaffen zu bauen", betonte die Organisation. Nach offiziellen Angaben steht die Zusammenarbeit in der Kernkraft nicht auf dem Programm.

Bei dem Besuch gehe es vor allem um wirtschaftliche Themen, betonte der Élysée-Palast. "Unsere Handelsbeziehungen sind voll in der Entfaltung", sagte Wirtschaftsministerin Christine Lagarde kurz vor Sarkozys Abflug. Frankreich sei das erste Land, mit dem Libyen ein Abkommen gegen Doppelbesteuerung geschlossen habe, sagte Lagarde. Bisher ist der Wirtschaftsaustausch zwischen Libyen und Frankreich verschwindend gering. Der Flugzeugbauer Dassault hat allerdings in diesem Jahr einen Auftrag zur Modernisierung von Jagdbombern des Typs Mirage F1 erhalten und hofft auf Aufträge für sein Kampfflugzeug Rafale.

Libyen habe außerdem Interesse an einer von Sarkozy vorgeschlagenen Mittelmeer-Union, die die Zusammenarbeit der Anrainerstaaten fördern soll, sagte Sarkozys Sprecher. Libyen ist eines der Durchgangsländer für afrikanische Migranten, die versuchen, illegal nach Europa zu kommen.

Einen Tag nach der Rückkehr von fünf in Libyen verurteilten Krankenschwestern und eines Arztes hat Bulgarien einen Erlass der Schulden des arabischen Landes in Höhe von 54 Millionen US-Dollar (rund 39 Millionen Euro) angedeutet. Dies könne eine Möglichkeit zur Beteiligung Bulgariens an einem internationalen Fonds sein, sagte Regierungschef Sergej Stanischew am Mittwoch in Sofia. Eine Entscheidung sei jedoch noch nicht getroffen worden. Aus diesem internationalen Fonds werden die Familien der Aids- erkrankten libyschen Kinder unterstützt.

Unterdessen haben die Familien Bulgarien wegen der Begnadigung der sechs Krankenhausmitarbeiter kritisiert. Libyen müsse die Beziehungen zur Regierung in Sofia abbrechen, forderte eine Vereinigung der Familien am Mittwoch in Tripolis. Die fünf Krankenschwestern und der Arzt müssten wieder verhaftet werden, und Libyen solle alle Bulgaren ausweisen. Die Begnadigung der Mediziner "bestätigt die Äußerungen von Osama bin Laden, dass der Westen muslimisches Blut verachtet", erklärte die Gruppe.

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2 Kommentare

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  • SV
    Siegfried Vogt

    Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

    jetzt wissen Sie was ich meinte mit meinem Kommentar zu Ihrem Vergleich der Familienpolitk von Sarkozy u. Gaddhafi. Würden Sie mal über den Zaun schauen, hätten Sie das bereits gestern in der französischen Presse lesen können.

    Es betrifft aber nicht nur Sie, andere deutsche Zeitungen haben ebenfalls unqualifizert berichtet.

    Kein Glanzlicht der deutschen Berichterstattung. Mich wundert schon, daß der europäische Gedanke so

    beworben wird, jedoch nur als Worthülse. Warum gibt es z. B. keine EU Seite als ständige Einrichtung in der man von seinen Nachbarn aktuell erfährt was da in den Bereichen Politik, Kultur etc. passiert?

    Ein Versuch wäre es doch wert, denn ich denke die Mehrzahl der Menschen interessiert doch die Nachbarschaft. Außerdem würde mehr Verständnis für Entscheidungen der EU entgegengebracht werden, weil nur eine gute und sachliche Information Mißverständnissen und Unverständnissen vorbeugen kann.

    Zur besseren Verständigung muß ich hinzufügen, daß mein gestriger Kommentar auf diese Weise zustande kam, weil ich Ihre Zeitung sehr schätze und ich deswegen besonders emotional reagierte und besonders enttäuscht war.

    Mit freundlichen Grüße

    S. Vogt

  • L
    Leser

    Doping im Sport und Geschäfte mit Massenmördern, Diktaturen, perversen Sadisten.

     

    Irgendwie passt doch alles...

     

    Wenn ich schon die Fresse von diesen Typen sehe befällt mich ein komisches Verlangen...

     

     

    mfg