Libyen UN-Vermittler León legt Plan für eine Einheitsregierung vor. Große Chancen hat er nicht: „Schlicht ignorieren“

Aus Tunis Mirco Keilberth
Bernadino Leon, der Sondergesandte der Vereinten Nationen für Libyen, hat mit der Verkündung der Namensliste einer zukünftigen Einheitsregierung die Friedensverhandlungen für abgeschlossen erklärt. Ein Jahr lang hat der spanische Diplomat daran gearbeitet, das durch den Kampf der beiden konkurrierenden Regierungen entstandene Machtvakuum mit einer Einheitsregierung zu füllen.
Im marokkanischen Konferenzort Skhirat verkündete Leon am Donnerstag Abend die Kandidaten für die wichtigsten Regierungsposten. Neuer Regierungschef Libyens soll der Abgeordnete Fayez Seraj aus dem international anerkannten Parlament in Tobruk werden. Ihm sollen drei Stellvertreter zur Seite stehen, darunter der ehemalige Kurzzeitregierungschef Ahmed Maitieg aus Misrata. Auch soll ein Präsidialrat mit je einem Vertreter beider Seiten gebildet werden. Bis auf die an der südlichen Sahara-Grenze lebenden Minderheit der Tobu sind alle Ethnien und Regionen in der Regierung vertreten, die nach Tripolis zurückkehren soll.
Der Plan soll dabei helfen, die vier Jahre nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi anhaltenden Kämpfe zu beenden, die vor allem in Bengasi zu schweren Verwüstungen und mehr 400.000 Flüchtlingen führten.
Den nach einem Jahr zäher Verhandlungen entstandenen Friedensvertrag umzusetzen, wird die Aufgabe des deutschen Diplomaten Martin Kobler sein, der bisher mit der Kongo-Mission die größte Friedenstruppe der Vereinten Nationen leitete.Koblers Aufgabe dürfte durch den Widerstand der Hardliner vor allem aufseiten der Islamisten in Tripolis nicht leicht werden. Deren Drängen auf weitere Änderungen an dem Friedensplan hatte Leon nicht nachgegeben, was zum Rückzug des Nationalkongresses aus den Gesprächen führte.
Abdulsalam Bilashahir
„Wir sind nicht Teil dieser Regierung, sie bedeutet nichts für uns und wir wurden nicht einbezogen“, sagte Abdulsalam Bilashahir vom Nationalkongress in Tripolis am Freitag dem britischen Rundfunk BBC. Da der Kongress jedoch der Kandidatenliste zustimmen muss, zweifeln viele Beobachter an der Umsetzbarkeit von Leons Vertrag.
In einigen Berichten war von einer „Einigung“ auf eine Übergangsregierung die Rede, allerdings braucht es vorher die eindeutige Zustimmung zu dem UNO-Vorstoß auf beiden Seiten. Kongressabgeordnete in Tripolis sagten gegenüber der taz, sie würden an einem „rein libyschen“ Dialogprozess arbeiten und Leons Regierung schlichtweg ignorieren.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen