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Liberale: Strippen statt schminken

Auf dem Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart tauschen Möllemann und Westerwelle ihre Oberbekleidung. Gerhardt kritisiert Schröders Schminkköfferchen. Sonstige Redner sind gegen Rot-Grün und streifen am Rande Steuern, Bildung und Gesundheit

aus Stuttgart HEIDE PLATEN

Zu Wasser mussten die Stockenten gestern Vormittag mächtig rudern, um das kleine Loch im Teich vor dem Stuttgarter Staatstheater eisfrei zu halten.

Zu Lande gab der notorische Volksredner Helmut Palmer sein Gastspiel auf der Bühnentreppe und querulierte pünktlich wie jedes Jahr zum Dreikönigstreffen der FDP lautstark gegen Ordnungsmacht und Politik. Der Parteivize Jürgen Möllemann reiste diesmal aus der Luft an. Er sprang mit dem Fallschirm aus 1.800 Metern Höhe vor die Füße des begeisterten Wahlvolkes.

„Wir trauen uns was!“, kommentierte das der Parteivorsitzende Guido Westerwelle. Die Liberalen waren diesmal bei schönstem Wintersonnenschein scharenweise zum traditionellen öffentlichen Redemarathon der Freidemokraten gekommen. Der Festsaal unter den vierzehn riesigen Kristalllüstern war bis in den dritten Rang gefüllt. Möllemann gab die Parteilinie zum Bundestagswahlkampf optisch vor. Er marschierte im hautengen, blau-gelben Superman-Dress ein. Das T-Shirt spannte und ringelte sich über seiner üppigen Figur, darauf prangte sein Kredo: „18 %“.

Die inhaltlichen Schwerpunkte der Partei reduzierten sich dann auf die Kritik an der Bildungs- und der Steuerpolitik der rot-grünen Bundesregierung. Das Land, so Westerwelle, brauche „eine andere Regierung“, zum einen mit der FDP, zum anderen mit wem auch immer. Egal ob CDU oder SPD als Koalitionspartner: „Beides ist auf jeden Fall besser als Rot-Grün.“

Dem designierten Vizekanzler Westerwelle war weniger Beifall beschieden als seinem Vorredner Wolfgang Gerhardt. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion hatte sich in einer zu großen Teilen freien Rede über Bundeskanzler Schröder mokiert, der „mit Schminkköfferchen und Beleuchter“ durch die Republik toure, die Arbeitslosigkeit aber nicht in den Griff bekomme und die Gewerkschaften in ihren Tarifforderungen nicht mäßige. Er beschwor immer wieder „die Kultur- und Toleranzgeschichte“ der westlichen Industrienationen. Um diese gehe es auch beim Krieg in Afghanistan. Er forderte außerdem einen eigenen Staat für die Palästinenser, der zugleich auch „ein Stück Sicherheit für Israel“ bedeute, und mahnte Israel, seine expandierende „Siedlungspolitik zu korrigieren“.

Großen Applaus erhielt auch die neue Spitzenkandidatin der baden-württembergischen FDP, Birgit Homburger. Sie zielte auf die Mentalität der Menschen im Südwesten, beschwor Familiensinn und Paternalismus des Mittelstandes, jener Chefs also, die ihre Mitarbeiter noch beim Namen kennen: „Der weiß auch, dass der Sohn seines Gesellen der Torjäger im örtlichen Fußballklub ist.“ Und deshalb habe er Steuersenkungen verdient, dürfe nicht durch Kündigungsschutz und Lohnzusatzkosten belastet werden. Homburger geißelte außerdem – dritter Schwerpunkt aller Redebeiträge – die Gesundheitspolitik. Hier habe die Bundesregierung ebenfalls „völlig versagt“. Zum Ende ihres Vortrages jubelte der Saal und rief begeistert: „Birgit! Birgit!“

Ein Erfolg, den Generalsekretärin Cornelia Pieper nicht verbuchen konnte. Auch sie legte das Ziel für die Bundestagswahl bei der 18-Prozent-Marke fest.

Das Dreikönigstreffen endete dann mit einem „T-Shirt-Tausch“ zwischen Möllemann und Westerwelle. Der stand am Ende im viel zu großen Hemd des Westfalen auf der Bühne und verabschiedete sich unter dem Parteislogan „Machen.Machen.Machen.“: „Wir legen uns richtig ins Zeug!“

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