Letzte Sitzung der Fluglärmkommission: Die Kommission hat fertig
Die Fluglärmkommission berät heute letztmalig über die Flugrouten des neuen Großflughafens. Wissen Sie noch, worum es dabei genau ging? Wir sagen es Ihnen
Am Montag trifft sich die Fluglärmkommission in Schönefeld, um abschließend über die BBI-Flugrouten zu beraten. Was war der Sinn der ganzen Übung? Die taz erklärt, was die Kommission in den vergangenen Monaten gemacht hat, was herausgekommen ist - und wie es weitergeht.
In, um und um Schönefeld herum wird es laut: Durch den Ausbau des Flughafens Schönefeld zum Großflughafen Berlin Brandenburg International (BBI) nimmt der Flugverkehr im Süden Berlins ab Mitte 2012 deutlich zu. Die Bewohner der umliegenden Gemeinden sowie südlicher Berliner Ortsteile wie Lichtenrade oder Wannsee fürchten den Lärm der startenden und landenden Flugzeuge. Es drohten nicht nur Einbußen an Lebensqualität, sondern auch gesundheitliche Risiken, sagen die Bürger, die mittlerweile in Dutzenden Initiativen organisiert sind und regelmäßig gegen das Großprojekt auf die Straße gehen (s. Kasten). Der Konflikt war eskaliert, als die Deutsche Flugsicherung (DFS) Anfang September 2010 ihren ersten Entwurf der An- und Abflugrouten des BBI vorlegte. Denn der sah deutlich anders aus als erwartet.
Die Fluglärmkommission ist ein ständiges Gremium, das nichts entscheiden kann. Es berät lediglich über Vorschläge zum Lärmschutz rund um einen Flughafen. Im Falle der neuen An- und Abflugrouten des BBI sollte die Kommission Empfehlungen an die Deutsche Flugsicherung abgeben, die für den Entwurf der Routen zuständig ist. In den vergangenen Monaten trat die Kommission, die sonst in großen Abständen tagt, jeweils ein- bis zweimal in der Schönefelder "Airport World" zur Beratung zusammen. Bei diesen Runden versuchten die Mitglieder, sich auf Empfehlungen an die DFS zu einigen. Die wird diese Empfehlungen jetzt auf Durchführbarkeit prüfen und nach Möglichkeit in die Routenplanung einfließen lassen.
Tausende Menschen haben am Sonntag in Schönefeld gegen die Belastungen durch BBI demonstriert. Es war die fünfte Demonstration mehrerer Initiativen. Die laut den Veranstaltern rund 5.000 Teilnehmer forderten ein Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr.
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Eine Kleinmachnower Bürgerinitiative will in Berlin und Brandenburg Unterschriften für ein Nachtflugverbot sammeln. Ziel sei es, dass sich die Landesparlamente mit dem Thema auseinandersetzen, sagte ein Sprecher von "Kleinmachnow gegen Flugrouten" am Rande der Demonstration
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Die nächste Demonstration findet am 25. Juni statt.
Lange bestand die Fluglärmkommission aus 17 Mitgliedern: Vertreter der betroffenen Gemeinden, der zuständigen Behörden und der beteiligten Unternehmen. Nach der heftigen Protestwelle im Herbst 2010 wurden jedoch Vertreter von weiteren Brandenburger Gemeinden und Berliner Bezirken aufgenommen. Am 8. November tagte erstmals eine auf 34 Mitglieder verdoppelte Kommission, inzwischen sind es sogar 41 Mitglieder.
Durchaus: Keine Gemeinde will unter Krach leiden - aber dass niemand ungeschoren davonkommt, ist kaum möglich. Die Solidarität untereinander hatte also Grenzen. Exemplarisch für diesen Konflikt war der Streit um den Vorsitz: Die aktuelle Vorsitzende Kathrin Schneider, Leiterin der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg, rückte im Dezember 2010 an die Stelle von Bernd Habermann, der einen Monat zuvor überraschend zurückgetreten war. Dem ehemaligen Bürgermeister von Blankenfelde-Mahlow war vorgeworfen worden, nicht neutral genug zu sein.
Ja und nein. Für die östlichen BBI-Flugrouten etwa beschloss die Kommission auf ihrer vorletzten Sitzung am 23. Mai, keine Empfehlung abzugeben. Seitens der betroffenen Mitglieder habe es "diametral entgegengesetzte Anträge" gegeben, so Kathrin Schneider zum Abschluss der damaligen Beratungsrunde. In der Sitzung davor, am 9. Mai, hatte man sich immerhin auf zwei Empfehlungen an die DFS einigen können. Sie sehen erstens vor, dass Flugzeuge, die von der BBI-Nordbahn gen Westen starten, in weitem Bogen um Potsdam herumfliegen sollen. Zweitens soll die Höhe, ab der Piloten die vorgegebenen Routen verlassen können, von den üblichen 5.000 Fuß (ca. 1.500 Meter) auf 10.000 Fuß (ca. 3.000 Meter) angehoben werden. Der Berliner DFS-Chef Hans Niebergall ließ aber schon im Anschluss an diese Sitzung durchblicken, dass die Flugsicherung keine Verdopplung der Freigabehöhe in ihre Pläne aufnehmen werde: "Wir halten 10.000 Fuß für eine flüssige Abwicklung nicht für haltbar." Ob sich die DFS an den weiten Bogen um Potsdam halten wird, ist ebenso fraglich.
Die DFS wird die endgültigen Flugrouten voraussichtlich erst im kommenden Jahr vorlegen. Diese müssen dann wiederum vom Bundesamt für Flugsicherung abgesegnet werden. Das geschieht vermutlich erst kurz vor Eröffnung des BBI im Juni 2012. Für den Fall, dass sich die DFS nicht an die Empfehlungen der Fluglärmkommission hält, haben viele Bürger eine neue Eskalation des Protestes und eine Klagewelle angekündigt. Notfalls wollen sie mit ihrem Anliegen bis vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ziehen.
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