: Letzte Chance
■ Ein Jahr nach dem Mord von Tonndorf: SPD bekämpft Jugendkriminalität
Hamburg hat eine neue Zeitrechnung: Vor und nach dem Mord an Willy Dabelstein. Bevor zwei Jugendliche im vorigen Juni den Lebensmittelhändler in seinem Geschäft in Tonndorf erstachen, sei die Jugendkriminalität nur mangelhaft bekämpft worden. Seither jedoch, so der SPD-Fraktionsvorsitzende Holger Christier, verfüge die Stadt über ein „tragfähiges Konzept“. Ein Jahr nach dem Mord, der bundesweit eine Grundsatzdiskussion über die Bekämpfung der Jugendkriminalität losgetreten hatte, zog seine Fraktion gestern eine positive Bilanz.
Festmachen konnte Christier seine Beurteilung vor allem an der Einrichtung zweier Wohngruppen für straffällige Jugendliche mit Betreuung rund-um-die-Uhr. Die beiden damals 16- und 17 Jahre alten Mörder waren bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. Wenige Tage vor dem Mord waren sie aus der Untersuchungshaft entlassen und in einer Unterkunft am Tonn-dorfer Pulverhofsweg untergebracht worden, die sie tagsüber unbeaufsichtigt verlassen konnten. Das sei „völlig inakzeptabel gewesen“, so gestern Karin Rogalski-Beek, jugendpolitische Sprecherin der SPD und Mitglied der „Enquetekommission Jugendkriminalität“.
Die Rufe nach der Wiedereinführung geschlossener Erziehungsheime hat die Stadt bis heute überhört. Sie entschied sich für zwei neue Jugendwohnungen in Bergedorf und im Bezirk Nord. Dort sind ebenso viele SozialarbeiterInnen wie Jugendliche vor Ort, so daß diese intensiver betreut werden können. Insgesamt verfügt Hamburg nun über sechs derartige Plätze. Die seien in der Regel nicht ausgelastet, erklärte Christier, um herauszustellen, daß es eine verschwindend geringe Zahl an Jugendlichen in Hamburg ist, die als derart betreuungsbedürftig gelten. Für diese habe sich das Konzept jedoch bewährt. „Die Jugendlichen begreifen die Wohnungen selbst als letzte Chance“, so Rogalski-Beeck. „Deshalb ist es nach einiger Zeit auch gerechtfertigt, sie unbeaufsichtigt aus dem Haus zu lassen“.
Daneben habe Hamburg weitere Maßnahmen ergriffen: Etwa das Anti-Raub-Konzept der Polizei oder die verstärkte Anwendung des sogenannten Täter-Opfer-Ausgleiches. Elke Spanner
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