Lettischer Hacker festgenommen: "Wir wählen Neo"
Hacker "Neo" hatte Millionen Steuerdatensätze gehackt und Politiker- und Managereinkommen öffentlich gemacht. Die Polizei kam ihm durch Bruch des Quellenschutzes auf die Spur.

Er selbst nannte sich "Neo" und in Lettland galt er als eine Art Robin Hood. Zwar verteilte er das Geld der Reichen nicht an die Armen, aber er machte immerhin öffentlich, welche Einkommen die Reichen und die Politiker haben. Während die breite Bevölkerung im Gefolge des lettischen Finanzcrashs zu Lohnsenkungen von bis zu 50 Prozent verdonnert worden war.
Am Mittwochabend wurde Ilmārs Poikāns festgenommen. Der 31-jährige ist Mathematiker am Institut für Mathematik und Datenwissenschaften der Universität Riga und hat nach Angaben seines Anwalts Aleksejs Loskutovs mittlerweile gestanden, "Neo" zu sein. Er bekenne sich im Interesse des lettischen Volkes Steuerdatensätze öffentlich bekannt gemacht zu haben. Eine illegale Handlung sehe er darin nicht.
Über eine im Februar entdeckte Sicherheitslücke im Datensystem der Finanzbehörden war es Poikāns offenbar gelungen, bis zu 120 Gigabyte bzw. 7,4 Millionen interne Steuerdatensätze zu kopieren. In der Folgezeit versorgte "Neo" JournalistInnen mit brisanten Informationen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Managern, Staatsbediensteten und Politikern. Bei mehreren der öffentlich gemachten Einzelfällen warfen Medien Fragen nach der Verschwendung von Steuergeldern und des möglichen Verdachts von Korruption und Bestechung auf. So wurde nachgewiesen, dass Unternehmen einerseits staatliche Hilfe in Anspruch nahmen, andererseits aber heimlich Dividenden ausschütteten.
"Neo hat Informationen veröffentlicht, die die Gesellschaft und jeder Steuerzahler ein Recht hat zu wissen", sagt Sarmīte Ēlerte, ehemalige Redakteurin der Tageszeitung Diena und Mitbegründerin der "Meierovics –Gesellschaft", einer NGO für mehr Transparenz und Basisdemokratie: "Wir Journalisten hatten vorher jahrelang vergeblich versucht, diese Informationen zu bekommen." Und Nils Ušakovs, Oberbürgermeister von Riga bewertete die Enthüllungen von Missständen durch "Neo" als "nachträglich vielleicht gute Sache". "Das ist die Verhaftung eines Whistle-Blowers, der kein Verbrechen begangen hat", sagt Juris Kaža von der lettischen Nachrichtenagentur LETA.
Nachdem die Festnahme von Poikāns bekannt wurde, kam es am Donnerstagnachmittag zu einer über Twitter organisierten Demonstration vor dem Regierungssitz in Riga mit mehreren Hundert TeilnehmerInnen. "Militärstaat", "In Lettland ist es ein Verbrechen ehrlich zu sein" und "Wir wählen Neo" waren einige der Parolen, die diese auf den Asphalt malten.
Mehrere oppositionelle Parlamentsabgeordnete kündigten ein Misstrauensvotum gegen Innenministerin Linda Mūrniece an. Ihr Vorwurf: Die Polizei sei "Neo" mit ungesetzlichen Mitteln auf die Spur gekommen. Am Dienstag hatte diese die Privatwohnung der TV-Journalistin Ilze Nagla durchsucht und hatte dabei Datenträger beschlagnahmt, die sie offenbar auf die Spur des am Tag danach durchsuchten IT-Instituts der Universität und von Ilmārs Poikāns selbst brachten. "Das war eine Verletzung des Informanten- und Quellenschutzes", wirft Sarmīte Ēlerte der Polizei vor.
Nach der Entdeckung der Sicherheitslücke im IT-System der Finanzbehörden, hatte der lettische Verfassungsschutz die staatlichen IT-Einrichtungen generell untersucht und festgestellt, dass rund die Hälfte unzureichend geschützt waren. Der Steuerdatendiebstahl wurde auf mangelhafte Software und Fehler im Systemmanagement zurückgeführt.
Sollte Ilmārs Poikāns, der sich bei Twitter als "Universal IT soldier" bezeichnet, des illegalen Datenhackings für schuldig befunden werden, droht ihm eine Haftstrafe von bis zu 10 Jahren.
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