: Let's have a party
■ Das 2. „Thirty Seconds over Bremen„-Festival im Kairo: Ein Heimspiel für alle beteiligten Gruppen, doch innovative Strömungen waren nicht zu bemerken
„Oleeeeh, Ole, Ole, Oleeh, Deutscher Meister SVW“, war das erste, was sich auf dem 2. „Thirty Seconds over Bremen„ -Festival im Kairo vernehmen ließ. Eine große Party war angekündigt und OWI, die Stimmungskanone aus Funk und Fernsehen, fühlte sich dem Motto des Abends sichtlich verbunden. Im grünen Frank-Neuwald-Trikot stellte er sich mutig mit seiner Gitarre allein dem Publikum. Glück für ihn, daß er, wie auch die übrigen Acts der zweitätigen Veranstaltung seinen Auftritt als Heimspiel betrachten durfte, somit so mancher Fehlpaß am Klangempfinden des Publikums vorbei, mildtätig verziehen wurde. Doch, Neider und Mißgünstlinge mal beiseite lassend, es gab auch kritische Ohren, die sich vom Waller Spektakel eine Art Standortbestimmung eines Teils der Bremer Musikszene versprachen.
OWI's „Kühe im Nebel“ ließen die ZuhörerInnen eher im Regen stehen. Über das Niveau einer Unterhaltungskapelle im Entwicklungsstadium gerieten sie nicht hinaus. Mal ließ Robert Smith ein wenig grüßen, Bob D's
Mundharmonika fand einen Doppelgänger, und dann wurden die Schlagzeugfelle einer taktlosen Strafaktion unterworfen. „Wir haben erst viermal geübt, mehr können wir nicht“. Gleich danach erfreuten die „Pillbox Boys“ die Fangemeinde mit einem nicht enden wollenden Stück - rückwärts vom Band. Doch vorwärts ging es auch. Ein stellenweise leicht angeschmutzter Waller Geradeaus-Rock sorgte für Stimmung. Die etwas unpräzise Abmischung hob dabei ungewollt den auffälligsten Musiker heraus. Tom Gefken am Bass spielte nach anfänglicher Nervosität einen feinen Set herunter.
Nach der Pause war es Mitternacht und so fiel es offenbar nicht sonderlich auf, daß Frank Dr.No, der satanische Akkordeon-Virtuose, das heimische Sauerland dem wolkenverhangenen Bremen vorzog. Also erklang ein maschinenhaftes „Super Vixen“ vom Podium herab. War das DAF? Nein, das waren Ton Redecker (k) und Emilio Winschetti (voc). Ihren Drum-Computer begleiteten die beiden Männer im Wechselgesang, Emilios Krötenlaute
aus den Tiefen des menschlichen Stimmvermögens bildeten einen wirkungsvollen Gegensatz zur sympathisch -publikumsnahen Tonlage Toms. Doch „The Perc Meets The Hidden Gentleman“ verlor sich alsbald in elegischen Post -Pink-Floyd-Tönen oder in maschinenorientierten Depressiv -Klängen („Respect & Emotion“).
Am zweiten Abend, Rudi Völler mußte schließlich erst noch zwei Tore schießen, begann der Musikabend mit dem Minimalduo Eva Licht und E. Winschetti. Ihr Bandname „Oh God! Maschine Sex!“ war ohne Frage der originellste Einfall der beiden. Emilio, im folkloristischen Bastard-Kostüm zwischen Tarzan und Rambo, versuchte Steve Piccolo medien-moderat bekannt zu machen, der Rest des Auftrittts war für ein Getränk im Wintergarten gut. Alpha Halley und Dr. Aga übten sich hernach in der Kunst der Selbstbeschränkung. Nach ihrer atmosphärisch-dichten Klangcollage „Panic in Detroit“, der sie dem Alt-Saxophon-und Keyboard-Klängen expressive Töne vom Band beimischten,
trieben sie dann in Richtung Free-Music. Zwei Solisten spielten sich frei, doch dachten sie dabei an das gemeinsame Konzept? Der späte Abend kam dann den beiden letzten Gruppen, „The Scraps“ und „Crippled Beanes“ zweifelsohne zugute. Die Frauenband sorgte für eine ausgelassene Stimmung. Da brauchte sich die abschließende „Männerimprovisationscombo“ nur einzuklinken.
Das Fazit dieser beiden rauschenden Nächte: Der Teil der Bremer Musikszene, der sich im Kairo vorstellte, wußte zumindest zu feiern und die dazugehörige Musik zu machen. Doch neue, bremenspezifische Konzepte waren nicht heraushörbar. Entweder boten die Grupen schnörkellose Tanzmusik oder aber maschiengestützte Minimalvorträge. Vielleicht liegt es an fehlenden tragfähigen Konzepten, oder es fehlt in dieser Gegend das genügend große Potential an ausgebildeten und innovativen Musikern. Zur Zeit hat Bremens musikalisches Aushängeschild wider Willen keine große Konkurrenz zu fürchten. Die III. Art.
Jürgen Francke
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