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Lesen gegen RechtsEine Antwort auf „Mein Kampf“

Am Donnerstag wurde das Buch „Mein Kampf - gegen Rechts“ in Berlin präsentiert.

Engagiert gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus: die Schauspielerin Iris Berben. Foto: DPA

Elf große dunkle Fototafeln stehen an der Wand. Von ihnen blicken ernste Gesichter in den Raum. Es sind die Gesichter der elf Menschen, die im Buch „Mein Kampf - gegen Rechts“ ihre persönlichen Erfahrungen mit Rassismus und Menschenfeindlichkeit schildern. Die Geschichte des in Polen aufgewachsenen Mosche Dagan wird an diesem Abend von Iris Berben gelesen. Klar und deutlich liest sie seine Schilderungen: „Zwei Tage lang reisten wir in dem überfüllten Waggon, ohne Wasser, ohne Essen. Als wir schließlich aus dem Zug stiegen, wandte ich mich an einen der Kapos: ‚Wo sind wir hier?‘ – ‚In der Hölle‘, antwortete er. Er sollte recht behalten: Wir waren in Auschwitz angekommen.“

Die rund 200 Gäste im Publikum hören still, fast andächtig zu, manche zücken ihre Smartphones und machen Fotos. Iris Berben zitiert den heute in Israel lebenden 92-Jährigen: „Es ist meine wichtigste Mission, jungen Menschen meine Geschichte zu erzählen.“ Dafür bekommt Dagan vom Publikum kräftigen Applaus. Im Konferenzsaal der Topographie des Terrors ging es am Donnerstagabend aber nicht nur um die Geschichte von Mosche Dagan. Drei weitere Personen, die im Buch „Mein Kampf - gegen Rechts“ von ihren Erlebnissen erzählen, waren zu Gast, um daraus vorzulesen. Andreas Hollstein, Bürgermeister von Altena, erzählt, wie die nordrhein-westfälischen Kleinstadt auf seine Initiative hin 100 zusätzliche Flüchtlinge aufgenommen hat. Robert Koall, Dramaturg aus Dresden, schildert seine Erfahrungen mit Pegida. Die gebürtige Afghanin und MTV-Moderatorin Wana Limar berichtet von den alltäglichen Diskriminierungen, die sie in Deutschland erfahren hat.

Das Buch ermutigt und deprimiert zugleich. Denn es zeichnet ein Bild historischer und aktueller Diskriminierungen - aber auch des Widerstands dagegen. Die Teilnehmer der anschließenden Podiumsdiskussion sind sich einig, dass man die Augen davor nicht verschließen dürfe und dass man Haltung zeigen müsse. Robert Koall ist der Meinung: „Ab einem gewissen Alter ist jeder selbst für seinen Charakter verantwortlich.“ Und erntet dafür vom Publikum zustimmenden und kräftigen Applaus. Eine 78-jährige Besucherin aus Zehlendorf sagt beim anschließendem Empfang: „Leider ist es bitter notwendig, dass solche Veranstaltungen stattfinden.“

Am 1. Januar 2016 erlosch das Urheberrecht für Adolf Hitlers „Mein Kampf“ - das Buch kann damit wieder veröffentlicht werden. Als Gegenbuch dazu ist am 19. Januar „Mein Kampf - gegen Rechts“ erschienen, herausgegeben vom Verein „Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“. Dieser sitzt in Berlin und will bundesweit das gesellschaftliche Engagement stärken und für Diskriminierungen sensibilisieren. Schauspielerin Iris Berben ist Unterstützerin des Vereins.

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1 Kommentar

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  • Können Bücher im Kampf gegen den Rechtsextremismus helfen?

     

    Selbst Hitler hatte Angst davor, dass Menschen Bücher lesen. Dann hat er die verbrennen lassen, aber nicht alle geschafft.