piwik no script img

Hitlers Hetzschrift in Italien„Mein Kampf“ als Beilage

Der Samstagsausgabe der italienischen Tageszeitung „Il Giornale“ liegt eine Ausgabe von „Mein Kampf“ bei. Nicht nur Regierungschef Matteo Renzi übt Kritik.

Eine Beilage, die nicht jedem bekommt: „Mein Kampf“, kommentiert von Francesco Perfetti Foto: ap

Rom afp | Die konservative italienische Tageszeitung „Il Giornale“ hat mit Adolf Hitlers Hetzschrift „Mein Kampf“ als Beilage ihrer Samstagsausgabe Empörung ausgelöst. Ministerpräsident Matteo Renzi erklärte im Internt-Kurzbotschaftendienst Twitter, es sei „unheimlich“, dass eine italienische Tageszeitung heutzutage das Buch von Hitler anbiete. „Mein herzlicher Gruß an die jüdische Gemeinschaft. Nie wieder!“, fügte der Regierungschef hinzu.

Renzo Gattegna, Präsident der jüdischen Gemeinschaft Italiens, kritisierte die Aktion der Zeitung als „unanständig“. Es handele sich um eine „erschreckende Sache“ nach Jahren der eingehenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Völkermord an den Juden.

„Il Giornale“ rechtfertigte die Beilage mit der Meinungsbildung. „‚Mein Kampf‘ zu lesen ist das richtige Gegengift gegen die Giftstoffe des Nationalsozialismus“, erklärte die Zeitung, die für ihre konservative Haltung in Einwanderungsfragen bekannt ist. Bei der Beilage handelt es sich um eine Version von „Mein Kampf“ aus dem Jahr 1937 in einer von dem Historiker Francesco Perfetti kommentierten Ausgabe. In den kommenden Wochen will die Zeitung, die eine Auflage von 200.000 hat und dem Bruder von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi gehört, sieben weitere Bücher zur Geschichte des Dritten Reiches verkaufen.

Anfang Januar war in Deutschland erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine kritisch kommentierte Neuauflage von „Mein Kampf“ erschienen, nachdem Ende 2015 der Urheberschutz ausgelaufen war. In dreijähriger Arbeit hatte ein Forscherteam des Münchner Instituts für Zeitgeschichte die Hetzschrift Satz für Satz untersucht, mit den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft abgeglichen und mit umfangreichen Anmerkungen als argumentatives Gegengewicht versehen.

Der italienische Wissenschaftler Frediano Sessi bedauerte es im Sender Rainews24, dass „Il Giornale“ sich nicht an der neu kommentierten deutschen Ausgabe orientiert habe, in der „3500 kritische Fußnoten von der Länge her den Text des ‚Führers‘ übertreffen“.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Ganz ehrlich: Ich finde, das ist eine gute Aktion, den NICHTS entbößt den Nationalsozialismus mehr als dieses Buch - hätten doch nur viel, viel mehr Menschen vor 1933 es gelesen:

    https://www.youtube.com/watch?v=jBMeoGyyxnc

  • Kommentierte Aussagen sind ja okay, aber ich frage mich, was immer noch die Faszination von dieser Schrift ausmacht. Die meisten Leute brauchen doch das Buch nicht. Und was ist mit Leuten wie Rosenberg? Soll man deren rassistische Schriften auch wieder kommentieren oder lesen? Lieber nicht.