Lesbisches Wohnprojekt: Regenbogen hinter grauer Fassade
In Mitte wurde der Grundstein für das erste Wohnprojekt für lesbische Seniorinnen gelegt. Lange wurde dafür gekämpft.
Genauer gesagt wird es ein lesbisches Wohnprojekt. „Was hier heute passiert, ist wirklich etwas Besonderes“, sagt Wegner. Besonders, weil es das erste seiner Art in Berlin ist. „Schade, dass es immer noch etwas Besonderes ist.“ Schade, weil die Frauen von RuT seit einem Jahrzehnt für dieses Projekt kämpfen. Dabei sah der Traum von einem Lebensort für lesbische Seniorinnen am Anfang noch anders aus und sollte anderswo realisiert werden. Schade auch, denn sie mussten große Abstriche für ihren Traum machen.
2018 bewarben sich sowohl RuT als auch die Schwulenberatung um ein Grundstück in Schöneberg. Die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH hatte sich zunächst für RuT entschieden – doch dann eskalierte der Streit durch ein von der Schwulenberatung angestrengtes Gerichtsverfahren. Am Ende gewannen die finanziell besser gestellten Männer.
RuT wandte sich dann dem Grundstück in der Berolinastraße zu, wollte es ursprünglich auch kaufen. Denn das war immer der Traum: von Frauen, für Frauen. Sie wollten unabhängig alt werden. Obwohl die Finanzierung für das lesbische Wohnprojekt stand, vergab der Senat das Grundstück aber an die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM). Stattdessen werden die Frauen von RuT nun doch Mieterinnen, dürfen immerhin selbst über die zukünftigen Mitbewohnerinnen entscheiden. Der Mietvertrag, der voraussichtlich Mitte dieses Jahres unterschrieben wird, läuft vorerst über maximal 30 Jahre. Das könnte bei den jüngeren Seniorinnen für Bauchschmerzen sorgen.
Denn das war immer der Traum: von Frauen, für Frauen.
Die Frauen der RuT haben jedoch vorerst keine andere Wahl. Das hält sie nicht davon ab, weiterzukämpfen. „Wir hoffen, dass wir längerfristig noch ein Grundstück finden können“, erklärt Geschäftsführerin Jutta Brambach. Die Ressourcen sind jedoch begrenzt. „Im Moment ist es wichtig, dass wir das Projekt in der Berolinastraße erst einmal realisieren können.“
Eine künftige Bewohnerin freut sich schon auf die Einweihungsparty, wenn sie endlich einziehen kann. „Es war schon immer mein Ding, mit Frauen zu leben“, sagt sie. Sie wird fast 80 Jahre alt sein, wenn sie umzieht – wenn alles nach Plan läuft. Anfang 2026 soll das Haus bezugsfertig sein.
„In dem Alter zieht man nicht mehr so gerne um“, sagt sie. Auch die Kosten werden für sie steigen. Die WBM hat zwar vorerst einer Miete von 7 Euro pro Quadratmeter zugesagt, aber das ist immer noch mehr als das, was sie derzeit zahlt. Doch sie ist bereit, all das auf sich zu nehmen. „Das Motiv sind wirklich die Frauen“, sagt sie mit funkelnden Augen.
Die Grundsteinlegung steht ganz im Zeichen der lesbischen Sichtbarkeit. Zum Ende der Pressekonferenz überreicht Wegner ein besonderes Dankeschön an Brambach: einen Bärenknopf. Normalerweise gebe es die Hauptstadtsymbole nur in Kupfer oder Silber. Er habe dafür gekämpft, dass es sie für die Regenbogenhauptstadt auch in bunt gibt. Stolz zieht er seine Jacke auf und nimmt das kleine Schmuckstück heraus. „Ich schenke es Ihnen jetzt, weil Sie dieses Bärchen verdient haben“, sagt er. „Vielen Dank für das, was Sie für Berlin geleistet haben.“
Wegner erwähnt nicht, dass der erste Bauantrag 2020 unter anderem deshalb abgelehnt wurde, weil die Frauen das Haus gerne in Lila gehabt hätten. Welche Farbe wird das Haus nun haben? Grau. Aber davon lassen sich die Frauen nicht unterkriegen. Zu lange haben sie für dieses Projekt gekämpft. „Wir müssen es anders realisieren, um sichtbar zu sein“, sagt die zukünftige Bewohnerin Ilona Böttcher. „Wir werden kreative Wege finden, um das Haus bunt zu gestalten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind