: Lernen von der Atomlobby
Internationale Konferenz will ab heute Weg für weltweite Agentur für erneuerbare Energien ebnen. Ihr wichtigstes Ziel: Änderung des Atomwaffensperrvertrags
BERLIN taz ■ In der Berliner Messehalle 7.3 soll ab heute den erneuerbaren Energien zum weltweiten Durchbruch verholfen werden. „Mittäter-Gewinnungs-Konferenz“ nennt Hermann Scheer das, was der alternative Nobelpreisträger dorthin einberufen hat – allerdings nicht als Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion, sondern als Präsident der 1988 gegründeten, gemeinnützige Europäische Vereinigung „eurosolar“. Nach Scheers Analyse sind in puncto regenerativen Energien „95 Prozent der Weltkarte weiße Flecken“. Überwunden werden könne dies nur durch neue „Organisationsanstrengungen, die einen weiten Technologietransfer herbeiführen“. Hermann Scheer: „Ziel der Konferenz ist, eine Internationale Agentur für erneuerbare Energien auf die Beine zu stellen.“
Anleitung holte sich Scheer ausgerechnet bei der Atomenergie. In den 50er-Jahren hatten sich einige wenige Staaten, die die neue Kraft nicht militärisch, sondern ausschließlich zu friedlichen Zwecken nutzen wollten, zu einer diplomatischen Initiative zusammengeschlossen. Die führte schließlich zur Gründung der Atomenergie-Agentur IAEA, der heute über 130 Staaten angehören. Die IAEA war es dann auch, die den Atomwaffensperrvertrag maßgeblich mitgestaltete. Nach diesem fließen jährlich Millionenbeträge in die Kassen der Mitgliedsländer, die so in die Lage versetzt werden, Kernkraft zu erforschen und Reaktorsicherheit zu finanzieren.
Da der Atomwaffensperrvertrag seinen Mitgliedsländern Hilfen aber nur für die Kernenergie bereitstellt, werden in vielen Ländern die Chancen erneuerbarer Energieträger nicht einmal erörtert. „Das ist auch der Grund, warum sich weltweit mehr Fachleute und Wissenschaftler mit Atomenergie auskennen als mit erneuerbaren Energien“, sagte Scheer gestern. Dieser Teil des Atomwaffensperrvertrages stünde heute aber im Widerspruch zur Weltentwicklung und zu den Bedürfnissen der dritten Welt. Scherr: „In Mali werden die IAEA-Gelder beispielsweise zur Planung eines Atomkraftwerks verwendet, obwohl klar ist, dass dort nie eines gebaut wird.“ Das Geld ließe sich aber nicht für die Erforschung der regenerativen Energien einsetzen, „weil das Land sonst gegen den Atomwaffensperrvertrag verstößt“. Änderungen müssten also her – und dafür braucht es die IRENA, die Internationale Agentur für erneuerbare Energien.
Von der Europäischen Kommission über die Entwicklungsbank Südafrika, dem thailändischen Solarforschungszentrum bis zur UNO oder der Organisation der westafrikanischen Staaten – die 270 Teilnehmer kommen aus der ganzen Welt. Am Sonntag wird ein Memorandum verabschiedet, das an alle Regierungen geht. Zur Sprache kommen wird erstmals auch ein Protokoll, das den Atomwaffensperrvertrag ändern soll.
„Das Memorandum dient als Grundlage für eine diplomatische Initiative“, sagt Scheer. Die Bundesregierung ist nach seinen Angaben interessiert, eine exponierte Rolle darin zu spielen. „Nicht zufällig spricht Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul am Eröffnungstag“, so Scheer. Allerdings dämpft der Nobelpreisträger überschnelle Erwartungen. „Es ist ratsam, die Initiative erst zu starten, wenn sichergestellt ist, dass genügend Länder mitspielen“. NICK REIMER
demnächst unter: www.irena-agency.org
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