Leitantrag zum CDU-Parteitag: Ringen um Worte zu Flüchtlingen
Eine Obergrenze für ankommende Flüchtlinge wird nicht im Leitantrag der CDU stehen. Stattdessen soll auf „Grenzen der Integrationsfähigkeit“ verwiesen werden.
„Wir sind entschlossen, den Zuzug von Asylbewerbern und Flüchtlingen durch wirksame Maßnahmen spürbar zu verringern“, lautet eine Formulierung nach Angaben von Teilnehmern nun. „Denn ein Andauern des aktuellen Zuzugs würde Staat und Gesellschaft, auch in einem Land wie Deutschland, auf Dauer überfordern.“ Der CDU-Parteitag soll am Montag über den Leitantrag zur Flüchtlingspolitik beraten und abstimmen.
„Mit den Ergänzungen haben wir nun eine deutliche Botschaft im Text: Die CDU weiß, dass wir die Zahl der Asylbewerber spürbar reduzieren müssen, weil wir Deutschland sonst überfordern“, sagte das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn.
Bis kurz vor Beginn des Bundesparteitages ringt die CDU-Spitze um den Kurs in der Flüchtlingspolitik. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich am Sonntagnachmittag bereit erklärt, im Leitantrag stärker die Sorgen der Menschen und die Herausforderungen bei der Integration zu betonen. Zugleich schloss sie aber einseitige deutsche Maßnahmen aus.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hatte zuvor angekündigt, in dem CDU-Leitantrag werde nun stärker auf „Grenzen der Integrationsfähigkeit“ verwiesen. Die Junge Union werde ihren Antrag auf Obergrenzen zurückziehen, wenn der Leitantrag eine deutliche Sprache zur Begrenzung des Flüchtlingszustroms enthalte, sagte der Chef der Nachwuchsorganisation Paul Ziemiak. Bedingung sei ein klares Signal in dem Papier, das am Montag beschlossen werden soll.
Schärfere Gangart gefordert
Etliche Parteigruppierungen hatten eine schärfere Gangart gefordert, nachdem in diesem Jahr bereits rund ein Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Haseloff hatte sogar wie die CSU eine nationale Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen gefordert. Dies lehnten Merkel und Parteivize Julia Klöckner am Sonntag aber erneut ab. In der Sitzung des Bundesvorstands am Abend sollte über die Formulierung entschieden werden, mit der sich die CDU auf das Ziel festlegen will, die Zahl der Flüchtlinge 2016 zu reduzieren.
CDU-Parteivize Armin Laschet sagte, 2016 könnten nicht erneut eine Million Flüchtlinge und Migranten nach Deutschland kommen. Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Frank-Jürgen Weise, sagte, seine Behörde sei fähig, sich auf eine halbe Million zusätzliche Neuankömmlinge im kommenden Jahr einzustellen. Er kalkuliere für 2016, „dass meine Behörden eine Zahl von alles in allem 500.000 neuen Asylbewerbern bewältigen können“.
Merkel betonte, dass es keine generelle Abkehr von ihrem Kurs geben werde. „Es geht um Reduzierung, es geht um Verringerung der Zahl der Flüchtlinge in europäischer Solidarität und durch Bekämpfung der Fluchtursachen – und nicht durch einseitige Maßnahmen Deutschlands“, bekräftigte die CDU-Chefin. Alle Schritte der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik müssten „konform mit dem europäischen Anliegen sein“. Sie vermied ebenso wie Klöckner das Wort „Begrenzung“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen