: Leistungsschau der ABM-Projekte
■ Über 50 Projekte wehren sich gegen die Demontage des zweiten Arbeitsmarkts
Eine Brücke, die in der Mitte des Flusses endet – zerstört, abgerissen. Ein Bühnenbild, das für die Situation steht, in der sich viele Projekte sehen, die Arbeitslose über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und Fortbildungsprogramme weiterqualifizieren. Sie arbeiten im sozialen und kulturellen Bereich oder im Umweltschutz, der Landschaftspflege und der Stadterneuerung. Dieser „zweite Arbeitsmarkt“ wird gern als Brücke in den ersten, den regulären Arbeitsmarkt, apostrophiert.
„Tanz auf der Brücke“ war deshalb das Motto einer „Leistungsschau des 2. Arbeitsmarktes“, die gestern rund um die Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche stattfand. Nicht nur „larmoyant über die Kürzungen zu klagen“, sondern zu zeigen, was der zweite Arbeitsmarkt in und für Berlin leiste, so umschrieb Matthias Roß von der „Kirchbauhof“-Gesellschaft den Sinn der Veranstaltung. Der Veranstaltungsort ist kein Zufall. Die Heilig-Kreuz-Kirche wurde unter der Regie von „Kirchbauhof“ mit ABM-Kräften saniert und zu einem Ort für öffentliche Veranstaltungen umgebaut.
Die Leistungsschau hat einen aktuellen Hintergrund: Die von der Bundesregierung beschlossenen Kürzungen von AB-Maßnahmen im Osten der Republik bedeuten für Berlin, daß 5.000 bis 6.000 ABM-Stellen allein im nächsten Jahr wegfallen würden – in den Folgejahren wären es noch mehr. Angesichts der Tatsache, daß etwa die Jugend- und Sozialarbeit im Ostteil der Stadt zu einem großen Teil über Zuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit finanziert wird, bedeute dies, „daß eine ganze soziale Infrastruktur wegbricht“, so Gisela Pfeifer-Mellar vom Verein „Goldnetz“. Goldnetz war gestern mit seinem Projekt „Sprungbrett“ vertreten, in dem 35 junge Frauen als Betreuerinnen von Schulklassen oder auch von Flüchtlingskindern arbeiten. Die Frauen sollen so für eine anschließende Ausbildung motiviert und darauf vorbereitet werden. Auf der Leistungsschau beschäftigten sie den Nachwuchs der Besucher.
Die Veranstalter wiesen darauf hin, daß sich laut einer Studie der Bundesanstalt für Arbeit ABM- Stellen bis zu 97 Prozent „refinanzieren“, wenn man sie den Kosten für Arbeitslosigkeit gegenüberstellt. Der Abbau von ABM habe also „mit Sparen nichts zu tun“, so Uwe Ganz von „Atlantis“, mit 450 Mitarbeitern eine der größten ABM-Trägergesellschaften Berlins.
Gisela Pfeifer-Mellar von Goldnetz fordert wie andere Beschäftigungsprojekte auch, „den zweiten Arbeitsmarkt langfristig zu installieren“. Angesichts von 7 Millionen fehlenden Arbeitsplätzen sei es eine Illusion, den zweiten Arbeitsmarkt nur als Übergangslösung zu betrachten. Christian Meseth
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen