Leipziger Sängerin Karo Lynn: Runter von der Couch
Zweifel gegen Düsternis: Die Leipziger Musikerin Karo Lynn präsentiert die Popsongs ihres neuen Albums „A Line in My Skin“ bei einer Tour.
Dass die Klimakrise im Alltag immer präsenter wird, ist inzwischen klar. Dass sie in Liebesliedern thematisiert wird, passiert eher selten. Doch die Leipziger Musikerin Karo Lynn singt in ihrem Song „Elephant“ mit berührend tiefer Stimme über eine kompliziert anmutende Beziehung, die sich dem Ende zuneigt, um dann zu fragen: „How come you don’t see it? / It’s not a lie, it’s all getting worse / In truth we’re ruining the earth / You know an elephant died for your new table?“
Karo Lynn komponiert dennoch keine klassischen Protestsongs, die aufrütteln sollen. Ihr Ding sind melancholische und düstere Songs über Zwischenmenschliches. „Ich tue mich schwer damit, globale Themen in einen Song zu packen, weil ich es persönlich schwierig finde, eine klare Meinung zu haben, es ist komplizierter als nur schwarz-weiß“, erklärt sie. „Trotzdem ist Klimaerwärmung und wie wir als Menschen die Welt verändern, ein Thema, das mir persönlich sehr am Herzen liegt.“
Sie habe es noch nicht geschafft, nur über dieses eine Thema einen Song zu schreiben, besser gelingt es ihr, die Klimaerwärmung subtil einfließen zu lassen. Es genüge, wenn man die Problematik nach und nach begreife. Karo Lynns neues Album „A Line in My Skin“ mehrmals zu hören, empfiehlt sich sowieso, stecken die poetischen düsteren Popsongs doch voller Nuancen.
Anderthalb Jahre hat die Leipziger Künstlerin zusammen mit ihrem Produzenten Cornelius Miller daran gearbeitet. „Jetzt entspricht die Musik mir so deutlich, wie nichts von dem, was ich zuvor gemacht habe“, erklärt sie zufrieden. Dass sie überhaupt zur Musik gekommen ist, verdankt die 26-Jährige dem Musikunterricht in der Schule, bei dem eine Aufgabe war, einen eigenen Song zu komponieren. Das hat ihr enorm Spaß bereitet und auch ihrem Umfeld so gut gefallen, dass sie drangeblieben ist.
Stillstand im Lockdown
Zwei Alben hat sie vor „A Line in My Skin“ bereits veröffentlicht, ihr Debüt „Frames“ mit 19 Jahren in Eigenregie, das nachfolgende, merklich erwachsenere „Outgrow“ im Winter 2020 – zwei Wochen, bevor der erste Corona-Lockdown nicht nur die Kultur, sondern einen großen Teil des gesellschaftlichen Lebens lahmlegte. All die Arbeit war wegen des Lockdowns mehr oder weniger für die Katz.
„Jegliche Werbung, die wir gemacht hatten, war plötzlich uninteressant. Die Leute hat etwas ganz anderes beschäftigt“, erinnert sich Karo Lynn. Danach wieder aufzustehen, fiel ihr zunächst schwer. Auch weil es kaum Austausch gab mit Fans und Kolleg:Innen, keine Konzerte, nichts. „Da hab ich Zeit gebraucht, um mich wieder reinzufinden“, gibt sie zu.
Gelungen ist ihr das mit Disziplin. Einen Monat lang hat sie sich gezwungen, Songs zu schreiben. Wie eine To-do-Liste, die abgearbeitet werden musste, mit einer eigens gesetzten Deadline, die nicht gebrochen werden durfte. „Früher hab ich die kreativen Ideen einfach fließen lassen.“ Herausgekommen sind elf wunderschöne Popsongs, denen man weder Zwang noch Disziplin anhört, sondern Zweifel, das Kreisen der Gedanken, die Schwermut, die bei Karo Lynn zum Glück immer warmherzig klingt.
Auch Einflüsse wie Daughter, Ben Howard und The National dringen durch. Oft geht es um Liebe und Menschen, die irgendwie versuchen, miteinander klarzukommen. Und um das Leben in der Großstadt. „Darum, wie mich das manchmal erdrückt, vor allem in kalten Monaten, wenn es grau und dunkel ist draußen, in einer Stadt zu leben, in der ich halt schon immer lebe.“
Die Stadt, in der sie schon immer lebt, ist Leipzig. Hier hat sie Physik und Mathematik studiert, hier ist sie Lehrerin geworden. Zum Leben findet sie die Stadt toll, zum Musikmachen eigentlich auch, obwohl ihr die Musikszene überschaubar erscheint. Denn am Ende spiele sich doch das meiste in Berlin ab. Immer wieder stellt sich die Frage, ob sie nicht auch dort hinziehen müsste. Bis jetzt bleibt sie stark.
Karo Lynn: „A Line in My Skin“ (Strays don’t sleep/Kontor New Media); live: 24. 3., Magdeburg, 25. 3., Plauen, 26. 3., Leipzig
Zurzeit allerdings ist sie auf Tour. Ihrer ersten eigenen. Mit einer Live-Band, zu der neben ihr selbst noch drei Musiker:Innen zählen, spielt sie die Songs mit Synthesizern und elektronischen Sounds. Denn es soll anders klingen als zu Hause auf der Couch. Dort haben ihre Fans schließlich lange genug gesessen.
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