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Leid anderer abgewertet

■ betr.: "Verfügbares Eigentum", taz vom 6.4.90

betr.: „Verfügbares Eigentum“, taz vom 6.4.90

Die Rezession läßt vermuten, daß es sich bei dem Buch Verlorene Kindheit. Jungen als Opfer sexueller Gewalt um ein hervorragendes Buch handelt. Und die Auseinandersetzung auch mit diesem Aspekt des gesellschaftlichen Tabuthemas „sexueller Mißbrauch an Kindern“ ist zweifelsohne eine Notwendigkeit. Bloß: Muß man denn jedesmal dann, wenn man einer Gruppe das Wort erteilt, beziehungsweise das Leid dieser Gruppe thematisiert, gleich das einer anderen abwerten?

Ist es denn wirklich wahr, wie die Rezensentin schreibt, daß Mädchen ein „Identifikationsmodell“ hatten (oder haben), „das das Reden überhaupt ermöglicht“, daß es diese „Öffentlichkeit, die sie hört und ihre Schädigung wenigstens anerkennt“, gibt?

Mag sein, daß dies heute allmählich leichter wird. Aber wie war das denn noch, sagen wir, vor zehn Jahren? Oder vor zwanzig? Welches Mädchen hätte denn damals Hilfe erfahren?

Der beschriebene Tabukreislauf gilt doch für beide Geschlechter! Genauso das sich bis weit ins Erwachsenenalter hinein noch erhaltene Gefühl der Wertlosigkeit und vieles andere mehr.

Trotzdem: ansonsten eine sehr gute Rezension!

Gisela Haehnel, Köln

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