Lehrer lässt sich entamten: Ein Privileg, das er nie wollte

Arne Ulbricht war mal Beamter, das wollte er aber gar nicht sein. Der Lehrer hat dagegen gekämpft. Jetzt ist er angestellt und verdient deutlich weniger.

Etwas irre ist er ja schon: Arne Ulbricht. Bild: Daniel Schmitt/spitzlicht

BERLIN taz | Vielleicht ist er wirklich ein wenig irre. Vor wenigen Tagen brachte die Post den Brief, darin las er: „Arne Ulbricht wird auf sein Verlangen aus dem Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen entlassen.“

Arne Ulbricht, 40, unterrichtet Französisch und Geschichte an einem Berufskolleg in Wuppertal. Vor einem Jahr wurde er verbeamtet. Doch was als Privileg im Schuldienst gilt, war für Arne Ulbricht ein Graus. Also kämpfte er dafür, es nicht mehr zu sein. „Der Beamtenstatus ist wie eine Fessel“, sagt Ulbricht. „Ich habe Kollegen erlebt, die vielleicht längst Lust gehabt hätten, etwas anderes zu machen, sich aber wegen ihres Beamtenstatus gezwungen fühlten, im Schuldienst zu bleiben.“ So etwas lähmt, meint Ulbricht. Über seine Erfahrungen hat er ein Buch geschrieben, das in diesen Tagen erscheint.

Zum Februar wird Ulbricht an seiner Schule neu eingestellt – als Angestellter. Das geht ins Geld: Bei einer halben Stelle verdient er jeden Monat fast 300 Euro weniger. Beamtenpension? Futsch.

Dieser ungewöhnliche Schritt wirft die Frage auf, warum Lehrer überhaupt verbeamtet werden. Laut Bildungsgewerkschaft GEW sind 650.000 LehrerInnen in Deutschland Beamte, nur 200.000 sind Angestellte. Und die Länder, die zwischenzeitlich auf die Verbeamtung verzichteten, rudern mittlerweile zurück: Thüringen will Lehrer ab August verbeamten, auch Mecklenburg-Vorpommern erwägt eine Rückkehr zum Lehrer auf Lebenszeit.

Dabei gibt es längst keine Gründe mehr dafür, Lehren als Amtsgeschäft anzusehen, sagt Ilse Schaad vom GEW-Hauptvorstand. „Der Status leitete sich aus dem Züchtigungsrecht ab, durch das Lehrer Vertreter des staatlichen Gewaltmonopols waren“, sagt sie. Doch der Rohrstock gehört der Vergangenheit an; und ob neben dem Strafen auch das Unterrichten und Benoten zu den hoheitlichen Aufgaben zählen, ist umstritten.

Der Essener Bildungsökonom Klaus Klemm plädiert dafür, aus Kostengründen auf die Verbeamtung von Lehrern zu verzichten. Kurzfristig sei ein angestellter Lehrer für das Land zwar teurer, obwohl er weniger verdient. „Aber die Länder müssen für Angestellte zusätzlich Sozialabgaben entrichten, für Beamte nicht“, sagt Klemm. Langfristig spart der Staat dagegen, weil die Pensionslasten wegfallen. Das Problem bei diesem Kalkül: „Welches Parlament stimmt gern einer Politik zu, die jetzt zu höheren Ausgaben führt, aber in 30 Jahren billiger ist?“

Ungerechtigkeiten und Absurditäten

GEW-Vorstandsmitglied Ilse Schaad sieht ein weiteres Problem: Solange es keine bundeseinheitliche Regelung gibt, zwinge der Wettbewerb um Lehrkräfte viele Länder dazu, den Beamtenstatus wieder einzuführen oder an ihm festzuhalten – mit all den Ungerechtigkeiten und Absurditäten. „Ein Lehrer, der in Brandenburg Beamter war, behält seinen Status auch bei einem Wechsel in ein Land wie Berlin, das nicht verbeamtet“, sagt sie. „Lehrer werden für die gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlt.“

Arne Ulbricht sieht seine Entamtung denn auch als kleinen Ausdruck der Solidarität mit den Kollegen, die nicht zum Lehrer auf Lebenszeit ernannt wurden. Weil sie im falschen Bundesland unterrichten. Oder weil dem Staat in der Gesundheitsprüfung ihr Body-Mass-Index als zu riskant erscheint: „Ich habe Kollegen, die nur deswegen nicht verbeamtet werden können, weil sie zu dick sind. Obwohl sie tolle Lehrer sind“, sagt Ulbricht. „Da hört für mich jedes Verständnis auf.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.