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Lehre aus Wirecard-SkandalFinanzaufsicht darf schärfer prüfen

Finanzminister Olaf Scholz bringt ein Gesetz für eine bessere Bilanzkontrolle durchs Kabinett. KritikerInnen fordern noch weitergehende Reformen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz forciert Gesetzentwurf für eine bessere Bilanzkontrolle Foto: Florian Gaertner/imago

Berlin taz | Rund ein halbes Jahr nach Auffliegen des Wirecard-Skandals zieht die Bundesregierung Konsequenzen aus dem Finanzdesaster. Das Kabinett beschloss am Mittwoch einen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) forcierten Gesetzentwurf, mit dem Schwachstellen bei der Bilanzkontrolle von Aktiengesellschaften beseitigt werden sollen. Scholz will die Auflagen für Wirtschaftsprüfer und die Kompetenzen der Finanzaufsicht Bafin ausweiten. Das Gesetz muss noch durch den Bundestag.

Der seinerzeit im Aktienindex DAX geliste Zahlungsdienstleister Wirecard ist zusammengebrochen, nachdem im Frühjahr bekannt wurde, dass Manager des Konzerns im großen Stil Bilanzen gefälscht haben. Der Schaden, von dem auch viele Kleinanleger betroffen sind, geht in die Milliarden. BranchenkennerInnen werfen den Wirtschaftsprüfern von E & Y und der Finanzaufsicht Bafin grobe Versäumnisse vor, weil ihnen etwa Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro nicht aufgefallen waren. Hinweise auf Unstimmigkeiten wurden ignoriert.

Wirtschaftsprüfer kontrollieren die Bilanzen von Unternehmen und prüfen deren Richtigkeit. Dabei ist es durchaus üblich, dass Wirtschaftsprüfer eine Aktiengesellschaft gleichzeitig kontrollieren und in unternehmerischen Fragen für hohe Honorare beraten. Die Bafin selbst hat bislang keine Bilanzkontrolle vorgenommen. Dafür war die private Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) zuständig, der im Fall Wirecard ebenfalls heftige Versäumnisse vorgeworfen werden.

„Mit unserem Gesetz für einen sauberen Finanzmarkt sorgen wir dafür, dass auf Bilanzen und die Testate von Wirtschaftsprüfern mehr Verlass ist“, sagte Scholz am Mittwoch. Die Bafin soll künftig bei Verdacht auf Bilanzverstöße direkt prüfen können und mehr Rechte erhalten, etwa Durchsuchungen und Beschlagnahmungen vornehmen können.

Die umstrittene DPR bleibt im Spiel und für Stichprobenprüfungen von Verstößen gegen Bilanzvorschriften zuständig. Außerdem müssen Unternehmen Wirtschaftsprüfer spätestens nach zehn Jahren wechseln. Die großen Wirtschaftsprüfgesellschaften E & Y, KPMG, Deloitte und PwC sollen bei grober Fahrlässigkeit künftig unbegrenzt haften.

Die unabhängige Bilanzexpertin Carola Rinker hält die Änderungen für nicht weitgehend genug. „Es ist ein Anfang, aber es sind mehr Reformen nötig“, sagte sie der taz. Mit der weiteren Beteiligung der DPR etwa bleibe das Problem unklarer Zuständigkeiten zwischen Bafin und Prüfstelle. Es sei besser, die Kontrolle insgesamt unter staatliche Hoheit zu stellen und die Aufsicht angemessen mit qualifiziertem Personal auszustatten.

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