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Lebenserfahrung als Kompetenz

30 Frauen haben eine Ausbildung zur Familienpflegerin begonnen  ■ Von Stefanie Winter

„Familienpflegerin“ klingt nach einer Fortsetzung des Hausfrauenberufs mit ähnlichen Mitteln an anderem Ort. Das gestern offiziell eingeweihte Modell-Projekt jedoch will mehr erreichen: Erwerbslose Frauen, zum Teil ohne Schulabschluß, sollen sich mit einer 18monatigen Ausbildung zur staatlich geprüften Familienpflegerin für eine Berufstätigkeit im ersten Arbeitsmarkt qualifizieren.

Angestrebt wird ein Anforderungsprofil, das mit den zahlreichen Talenten einer Hausfrau und Mutter durchaus korrespondiert. Pflege, Hauswirtschaft und die Betreuung von Kindern, alten und behinderten Menschen gehören ebenso zum Berufsbild wie ein „problemorientiertes“ Arbeiten – soziale und pädagogische Beratung. Es soll die Lücke zwischen Krankenschwester und Aushilfskraft schließen, erklärt die Sprecherin des Hamburger Senatsamts für die Gleichstellung, Barbara Beuys. Die Familienpflegerinnen könnten aus ihrer eigenen Lebenserfahrung eine berufliche Kompetenz entwickeln.

30 Frauen „aus schwierigen sozialen Verhältnissen“, darunter sechs Migrantinnen, haben im Mai dieses Jahres mit der Ausbildung begonnen. Mehr als die Hälfte von ihnen ist alleinerziehend – mit bis zu fünf Kindern. Getragen wird die Modellausbildung vom Verein zur Förderung der beruflichen Bildung und von der Erwartung, daß die Frauen anschließend nicht auf der Straße stünden, sagt Beuys. Die Qualifizierung sei auf die Anforderungen der Pflegeversicherung zugeschnitten; nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeit würden zukünftig 100.000 Personen für die ambulante Betreuungsarbeit gebraucht.

Das Projekt ist in St. Georg angesiedelt; dort werden die Teilnehmerinnen den praktischen Teil der Ausbildung in Altenheimen und Sozialstationen absolvieren. Finanziell gefördert wird es durch das Arbeitsamt, die Stadtentwick-lungsbehörde, das Senatsamt für die Gleichstellung und die Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung. Diese Kooperation hält Staatsrätin Barbara Maier-Reimer für ebenso sinnvoll wie das Projekt selbst: Es sei – im Sinne des Programms zur Armutsbekämpfung – keine punktuelle Reparaturmaßnahme, sondern Hilfe zur Selbsthilfe. Eine Sozialpädagogin wird die Teilnehmerinnen während der Ausbildung betreuen.

Auch wissenschaftlich wird das Projekt begleitet, um modellhaft die genauen Strukturen der Ausbildung zu entwickeln; bislang gab es den Beruf der Familienpflegerin nicht in Hamburg. Dies allein mache den Modellcharakter der Ausbildung aus, meint Beuys. Während andere „Modell-Projekte“ zunächst einmalig angeboten und anschließend auf Sinnhaftigkeit untersucht werden, soll diese Ausbildung auch nach Ablauf der ersten 18 Monate auf jeden Fall weitergeführt werden.

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