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Lebendspende – von der Ausnahme zur Regel

Seit Jahren schon steigt auch bei uns die Zahl der Lebendspenden an. Dabei sollte nur in Ausnahmefällen auf lebende Organspender zurückgegriffen werden. Kritiker befürchten, dass damit der Organhandel gesellschaftsfähig wird

Bei der Verabschiedung des Transplantationsgesetzes vor fünf Jahren gab sich die Ärzteschaft optimistisch. Nun endlich sei Rechtssicherheit geschaffen, bald werde die Zahl der verpflanzten Organe steigen, die Wartelisten abgebaut. Heute zeigt sich, dass die Transplantationsraten stagnieren, beim Herzen sogar leicht sinken.

Bei Nieren konnte das Niveau nur durch einen erheblichen Anstieg der Lebendspenden gehalten werden. Machten diese 1993 nur knapp 3 Prozent aller Nierenspenden aus, sind es heute bereits 16,3 Prozent der insgesamt 2.346 im Jahr 2001 verpflanzten Nieren. Die Raten der Lebendspende eines Teils der Leber stiegen von 2 auf 12,5 Prozent an. Bei jedem sechsten Patienten wurde die Leber allerdings in den ersten zwei Wochen nach der Operation abgestoßen und war dann eine hochdringliche zweite Transplantation nötig.

In den USA stammt bereits jede zweite Nierenspende von einem gesunden Erwachsenen, 20 Prozent der Spender sind nicht verwandt. Ärzte sehen in der Lebendspende viele Vorteile: Die Transplantation kann geplant werden, auch die Ergebnisse sind besser, nach fünf Jahren funktionieren noch vier von fünf Nieren. Zwei von drei Nieren werden von Frauen gespendet, bei den Empfängern kommen umgekehrt zwei Männer auf eine Frau.

Dem Parlament galt die Lebendspende 1997 als „äußerstes Mittel“, nur statthaft, wenn kein hirntoter Organspender zu finden ist. Zulässig ist laut Transplantationsgesetz die Organentnahme bei lebenden, gesunden Spendern nur zur Übertragung auf Blutsverwandte oder Lebenspartner sowie „andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe stehen“.

1998 bekräftigte das Bundesverfassungsgericht den Vorrang der postmortalen Spende und das Gebot, jeden Organhandel zu verhindern. Die Freiwilligkeit, der Ausschluss sozialen Drucks und einer – versteckten – Kommerzialisierung, etwa durch In-Aussicht-Stellen einer Erbschaft, sollen von Lebendspende-Kommissionen an den Kliniken geprüft werden. Zweifel bestehen allerdings, ob diese ihrer Aufgabe gerecht werden.

Die Nierenentnahme bleibt ein operativer Eingriff an einem Gesunden, der dadurch mögliche Komplikationen wie Milzverletzungen oder Nachblutungen, aber auch erhöhte Gesundheitsgefährdungen in Kauf nimmt. Statistisch bekommen 3 von 100 Komplikationen, 3 von 1.000 Nierenspendern versterben an der Operation. Beim Organempfänger sind Abhängigkeits- und Schuldgefühle nicht auszuschließen, verlangt doch das geschenkte Organ ewige Dankbarkeit.

Zwar riskieren auch Feuerwehrleute ihr Leben, um andere zu retten, doch bleibt medizinethisch der Stachel, dass ein ärztlicher Heilauftrag für den Eingriff am Organspender selbst nicht vorliegt. Der von Hippokrates stammende ärztliche Grundsatz, „zuallererst nicht zu schaden“, wird gebrochen, der gesunde Spender kann durch den Eingriff krank werden. Besonders hoch sind die Risiken bei der Spende eines Teils der Leber: Bei fast jedem zweiten Spender treten Komplikationen auf, die von Wundinfektionen, Darmverwachsungen bis hin zu beschädigten Gallengängen oder Zwerchfellergüssen reichen. Einer von 100 Spendern stirbt.

Mit bis zu fünf Jahren Haftstrafe bestraft das Transplantationsgesetz den Organhandel. Zunehmend versuchen Chirurgen aber, die gesetzlichen Grenzen auszudehnen. Der Vorrang der Verstorbenenspende wird bereits jetzt nicht mehr eingehalten. Der Münchner Jurist Ulrich Schroth und der Philosoph Thomas Gutmann fordern von der Politik, die Beschränkung des Spenderkreises ganz aufzuheben und sich auf die Kriterien der Freiwilligkeit und Nichtkommerzialisierung zu beschränken. Kritiker sehen darin ein Einfallstor für den Organhandel, denn Geldtransfers können kaum überprüft werden.

INGRID SCHNEIDER

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