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Leaks aus Israels MilitärNetanjahus neuester Skandal

Aus dem Umfeld von Netanjahus Büro sollen während der Geiselverhandlungen mit der Hamas brisante Geheimdokumente an Medien weitergegeben worden sein. Eine Desinformationskampagne?

Benjamin Netanjahu ist mal wieder in einen Skandal verwickelt Foto: Lev Radin/zuma/imago

Jerusalem taz | Die Vorwürfe sind gewaltig: Aus dem Umfeld des Büros von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sollen geheime Dokumente an Medien weitergegeben worden sein – mutmaßlich, um eine Einigung in den Geiselverhandlungen mit der Hamas zu behindern. Einer der Verdächtigen wurde am Sonntag als Eliezer Feldstein identifiziert, nachdem ein israelisches Gericht eine Nachrichtensperre in dem Fall teilweise aufhob. Der Beschuldigte war mit drei anderen Verdächtigen zuvor verhaftet worden und soll als Sprecher in Netanjahus Büro gearbeitet haben. Am Montag wurde ein fünfter Verdächtiger festgenommen.

Laut dem Gericht ging den Verhaftungen eine gemeinsame Ermittlung der Polizei, der Geheimdienste und der Armee voraus. Grundlage sei ein „Verstoß gegen die nationale Sicherheit durch die illegale Weitergabe von klassifizierten Informationen“. Dadurch sei dem Kriegsziel, die noch immer rund 100 in Gaza gefangenen Geiseln zu befreien, geschadet worden. Auch der Vorwurf der Fälschung von Geheimdienstmaterial sowie die Beschäftigung von Personen ohne ausreichende Sicherheitsüberprüfung stehen im Raum.

Im Zentrum der Affäre stehen zwei Dokumente. In einem von der britischen Zeitung The Jewish Chronicle am 5. September veröffentlichten Text wurde unter Berufung auf ein Hamas-Papier berichtet: Der mittlerweile getötete Anführer der Gruppe, Jahia Sinwar, plane, über die ägyptische Grenze in den Iran zu fliehen und israelische ­Geiseln mitzunehmen. Einen Tag später erschien in der Bild ein Artikel unter Berufung auf ein Hamas-Strategiedokument, dem zufolge Sinwar nicht an einer schnellen Einigung mit Israel ­interessiert gewesen sei und stattdessen über die Geiseln weiterhin psychologischen Druck auf Israel habe ausüben wollen.

Israels Armeesprecher Daniel Hagari sagte mit Bezug auf den ersten Bericht, der Armee lägen keinerlei derartige Informationen vor. Israelische Medien berichten von einer Fälschung. The Jewish Chronicle hat den Artikel mittlerweile gelöscht und die Zusammenarbeit mit dem Autor beendet. Zum Bericht der Bild hatte die Armee bereits nach der Veröffentlichung mitgeteilt, das zitierte Papier sei vor rund fünf Monaten gefunden worden. Er stamme jedoch nicht von Sinwar oder der Hamas-Führung, sondern sei von rangniederen Mitgliedern der Palästinenserorganisation geschrieben worden.

Klar ist, dass Netanjahu bei der Veröffentlichung von den Berichten profitierte

Ein eigener Kommunikationskanal für Netanjahus Büro

Klar ist, wer zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von den Berichten profitierte: Netanjahu. Sie untermauerten wesentliche Punkte, mit denen dieser nur Tage zuvor in einer Pressekonferenz weitere Forderungen Israels in den Verhandlungen mit der Hamas begründet hatte. Kritiker werfen Netanjahus Büro nun eine Desinformationskampagne vor, die dazu gedient haben soll, seine Regierung vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren. Deren rechtsextreme Mitglieder hatten wiederholt gewarnt, im Falle eines Waffenstillstands die Koalition zu verlassen.

Aufgrund der nur zum Teil aufgehobenen Nachrichtensperre sind viele Fakten in dem Fall noch schwer nachvollziehbar. Doch seit der Verdächtige am Sonntag als Eliezer Feldstein identifiziert wurde, kommen weitere Details ans Licht: Der 32-jährige Feldstein arbeitete laut israelischen Medienberichten in der Vergangenheit als Armeesprecher für das besetzte Westjordanland sowie für die Partei des rechtsreligiösen Polizeiminister Itamar Ben-Gvir. Nach dem Hamas-Überfall vor einem Jahr wurde er Sprecher des Büros des Ministerpräsidenten.

Laut der Nachrichtenseite Ynet-News ist damit ein eigener Kommunikationskanal von Netanjahus Büro geschaffen worden, parallel zu dem etablierten Ansprechpartner für israelische Militärkorrespondenten im Verteidigungsministerium. Wegen einer gescheiterten Sicherheitsüberprüfung soll Feldstein jedoch nicht regulär angestellt gewesen sein. Bekannt sei aber, dass er zusammen mit Netanjahu auch an geheimen Treffen und Besuchen von sicherheitsrelevanten Einrichtungen teilgenommen habe.

Dass die Affäre Netanjahu selbst gefährlich werden könnte, halten trotz der Schwere der Vorwürfe zahlreiche Beobachter für unwahrscheinlich. Dem Regierungschef eine Verwicklung nachzuweisen – wie von Oppositionsführer Jair Lapid nun gefordert – dürfte kurzfristig kaum möglich sein. Netanjahus Büro ist indes bereits zum Angriff übergegangen: Während des Krieges seien zahlreiche klassifizierte Informationen auch von anderen Stellen durchgestochen worden, die Ermittlungen im Fall Feldstein seien „aggressiv und voreingenommen“.

Hinweis: Die Leaks stammen wohl aus dem Umfeld des Büros von Netanjahu, nicht unbedingt aus dem Büro selbst. Wir haben das korrigiert.

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6 Kommentare

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  • Beruhigend zu sehen, dass in Israel nach wie vor auch im politischen Machtzentrum unabhängig und rechtsstaatlich ermittelt werden kann. Das würde man sich auf der palästinensischen Seite auch wünschen. Dann wäre die Entwicklung in den letzten Jahren wahrscheinlich wesentlich friedlicher verlaufen.

    • @vieldenker:

      Wo sehen Sie denn bitte schön diese "unabhängigen und rechtstaatlichen" Ermittlungen? Die wurden vorläufig festgenommen. Der größte Scherge, Netanyahu selbst...ist bis heute für Korruption und vieles mehr zwar auch im Verfahren, aber eine Verurteilung ist dann doch nochmal etwas anderes. Und ob es zu dieser kommt, egal ob für Netanyahu, dern 5 möglichen Tätern, oder den anderen Mördern, darf man in isr. Gerichtsverfahren als eher "marginal" bezeichnen.

      • @Chris Ehl:

        Ja Netanjahu zieht seit Jahren alle rechtlichen Register um nicht verurteilt zu werden. Aber irgendwann wird es ihn genauso gerichtlich ereilen, wie schon andere Politiker im Land. Und das ist halt der Unterschied zu allen Ländern in der Nachbarschaft. Passt nur nicht ins Narrativ, ich weiß.

        • @vieldenker:

          Vielleicht sollten Sie sich mal schlau machen zu den "rechtlichen Registern", wieviele Mörder, ähm Soldaten die im Einsatz Kriegsverbrechen begangen haben. Selbst wenn es Ton- und Videoaufnahmen gab, wurden denn verurteilt? Wieviele der isr. Siedler die Gewalt anwenden kommen überhaupt in Haft? Von einem Prozess ganz zu schweigen. Peace Now gibt da immer ganz nette Übersichten, wenn 1% der Täter mal eine Geld oder kleinere Haftstrafen erhalten, die sie mit der U-Haft schon abgegolten haben, ist das schon die Höchststrafe.



          Aber passt halt nicht ins Narrativ der "einzigen Demokratie" im Nahen Osten. Auch wenn es nicht stimmt.

    • @vieldenker:

      Dieser "Rechtsstaat" schießt gezielt auf UN Truppen, Journalisten, Kinder, unterstützt illegale Siedlungen in besetzten Gebieten und begeht in Gaza einen Völkermord.



      Mir unbegreiflich, wie Sie dies als "beruhigend" empfinden können.

  • "Der 32-jährige Feldstein arbeitete laut israelischen Medienberichten in der Vergangenheit als Armeesprecher für das besetzte Westjordanland sowie für die Partei des rechtsreligiösen Polizeiminister Itamar Ben-Gvir. Nach dem Hamas-Überfall vor einem Jahr wurde er Sprecher des Büros des Ministerpräsidenten."

    Bei der beruflichen Karriere von Feldstein zeigt sich, dass eine Grenze zwischen Itamar Ben-Gvir, dem Rechtsextremisten, der für ethische Säuberungen eintrat sowie Mitglied der Terrororganisation Kach war und dem Likud-Premier Benjamin Netanjahu nicht wirklich ersichtlich ist.