piwik no script img

Lautere Stimmen Buddhas

■ Die japanische Trommlertruppe „Ondekoza“ in der Musikhalle

Da haben die „Teufelstrommler“ schon den Abend über einen Höllenlärm veranstaltet, doch das Publikum hat immer noch nicht genug. Wie die Rattenfänger von Hameln mußten die erschöpften Musiker am Dienstag ihre wild klatschenden Fans mit einem Trick aus der Musikhalle locken: Sie hoben eine riesige Trommel von der Bühne und trugen sie mit donnernden Schlägen hinaus – die Zuschauer folgten wie hypnotisiert aus dem Saal.

Die vierzehnköpfige Musikgruppe Ondekoza aus Japan versteht es auf ebenso martialische, magische wie humorvolle Weise, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Da wird im Sitzen getrommelt, im Stehen und sogar halb im Liegen. Da wird zu riesigen Trommeln hochgesprungen, da wirbeln die Stöcke mit aller Kraft aufs Becken. Die Trommler scheinen sich fast selbst zu geißeln, wenn sie weit nach hinten zum nächsten Schlag ausholen. Dann verlagern sie das Gewicht nach vorne, als bedrohten sie mit den Stöcken einen imaginären Feind. Früher wurden diese Instrumente tatsächlich im Krieg eingesetzt, um den Gegner zu erschrecken. Im ländlichen Japan steckte man zudem die Dorfgrenzen durch die weiteste Entfernung ab, in der die Trommeln noch zu hören waren. Doch die „Taikos“, die soviel wie fünf ausgewachsene Männer wiegen, haben auch in Friedenszeiten große Bedeutung: Für religiöse Japaner verkörpern sie die Stimme Buddhas.

Die musikalische Dorfleiterin der Musikhalle, Takakubo Yasuko, scheint ein eisernes Regiment zu führen. Nichts wirkt improvisiert, alles, selbst die humorvollen Passagen, sieht bis ins letzte einstudiert aus.

Die Mitglieder der vor 25 Jahren auf der Insel Sado gegründeten Gruppe unterwerfen sich auch im Privatleben harter Disziplin: Sie leben gemeinsam, halten eine spezielle Diät, und Marathonläufe gehören zu ihrem Alltag. Eine Konzerttournee quer durch die USA haben sie gar in drei Jahren zu Fuß von der Ostküste nach Kalifornien und retour zurückgelegt.

Doch halt, mancher Trommelwirbel erinnert entfernt an Spielmannszüge und Funkenmariechen. Eine Langnase ist es auch, die unverkennbar die urdeutsche Weise „Mussi denn, mussi denn zum Städele hinaus“ auf der Flöte anstimmt. Kimono und Lendenschurz führen deutsche Liedgutassoziationen allerdings schnell wieder ad absurdum, leise klagende Töne aus der Bambusflöte, der Koto (einer Art Zither) und dem Shamisen (einem dreisaitigen Instrument) bringen einen vollends auf den vertrauten japanischen Klangteppich zurück. Wenn die Teufelstrommler dann noch mit einer Art Hackmesser imaginäres Gemüse im fliegenden Tempo auf den Trommeln häckseln, Fisch filetieren und Fleisch zerschneiden, dann steht fest: Diese Musik ist Energie in Reinform und macht unbändigen Appetit auf Sushi.

Kira Moll

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen