: Latenter Kabelbrand
■ Kein Geld für Sanierung, aber für Verkabelung / Die WiP will alle ihre Wohnungen verkabeln / Teil der Mieter wehrt sich
TV ist schau. Wer das nicht findet, schaut in die Röhre. Geht es nach dem Willen der Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg (WiP), soll der totale Informationsstaat bald Wirklichkeit sein. Sämtliche ihrer 40.000 Wohnungen will die WiP verkabeln lassen. Kostenpunkt: 14,50 Mark pro Monat. Privatfernsehen per öffentlich-rechtlicher Anordnung; Einspruch zwecklos.
Das in Berlin bislang einmalige Vorgehen einer Wohnungsbaugesellschaft hat inzwischen bei den Mietern für einigen Aufruhr gesorgt. Auf einem Treffen der Kiezinitiative in der Dunckerstraße berichtete ein Mieter, der sich gegen die Zwangsmaßnahmen gewehrt hatte, daß die Bauarbeiter der von der WiP beauftragten Kabelfirma einfach ein Loch in seine Decke gebohrt hätten.
„Und die WiP“, sagte der Mieter, „geht nun im Haus rum und erzählt allen, ich wäre schuld, wenn sie nicht Kabelfernsehen schauen könnten“. Heute abend nun soll um 19 Uhr in der Kiezkantine Oderberger Straße eine „Initiative Kein Kabelfernsehzwang“ gegründet werden.
Was so manchen Mieter, der sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung wahren möchte, auf die Palme bringt, ist der Umstand, daß die WiP die Zwangsverkabelung auch in notverwalteten und restitutionsbefangenen Gebäuden vorantreibt. Während im Normalfall unter Hinweis auf die Verfügungsgewalt privater Eigentümer jegliche Instandhaltungsmaßnahmen und oft auch die Weitervermietung unterbleiben, entfaltet die WiP in Sachen Breitbandverkabelung eine Betriebsamkeit, als hätte sie vom „Entschädigungs- und Ausgleichsgesetz“ oder dem „zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz“ noch nie ein Wort gehört. Wer sich gegen die Zwangsmaßnahme wehrt, dem wird mitgeteilt, daß er notfalls auf Duldung verklagt werde. Dabei steht die WiP offenbar auch unter dem Druck der beauftragten Firmen Wollny und Nehls & Schulz. Der Preis von 14,50 Mark monatlich sei nicht zu halten, wurde renitenten Mietern mitgeteilt, wenn nicht alle Haushalte verkabelt würden.
Für die Betroffenenvertretung am Prenzelberger Falkplatz, die sich seit geraumer Zeit gegen die Zwangsverkabelung der WiP wehrt, ist das Vorgehen der WiP schlicht ein Skandal. Insbesondere das Argument der WiP, die Verkabelung sei eine Maßnahme mit „Modernisierungscharakter“ und deshalb vom Mieter zu dulden, hält die Betroffenenvertretung für rechtlich nicht zulässig.
Eine von der PDS-Fraktion im Prenzlauer Berg initiierte Anhörung am kommenden Mittwoch soll nun klären, ob bei den Verantwortlichen der Wohnungsbaugesellschaft ein latenter Kabelbrand schwelt oder es sich bei der Schaltung in die letzten Reihen um eine staatsbürgerkundliche Pflicht zur Dummheit handelt. Uwe Rada
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