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Lassie und die Gen-Bande

■ Pepe Danquarts „Daedalus“: Ein Film gegen Gentechnik

Wir sind im Jahr 2018: Der Gentech-Konzern „Helix Corporation“ will das Erbgut der Menschheit kontrollieren und damit alle Macht an sich reißen. Der Schlüssel dazu ist ein neues „Genwash“-Verfahren, das allen Müttern empfohlen wird, damit's ein Prachtkind wird. Die dabei erzeugten Menschenkinder sind aber steril. So bestimmt der Konzern, wer sich künftig noch fortpflanzen darf. Die „Helix“-Wissenschaftlerin Khira, selbst ein — wunderschönes — Produkt der Reproduktionstechnik, entdeckt die ungeheuren Machenschaften ihrer Firma und beginnt den Kampf gegen die Gen-Mafia. Professsor Daedalus und sein Freund Mino sind dabei ihre wichtigsten Verbündeten. Daedalus, selbst Gentechniker, ist früh erschaudernd aus der Genbastler- Zunft ausgestiegen. Mino ist sein junger Anarcho-Freund, der entweder Computer knackt oder mit ihnen spielt. Daedalus und Mino dringen in die Computerdateien und Archive von Helix ein und erhalten Zugang zu den geheimsten Konzern-Plänen. Am Ende fliegen Mollis und Brandsätze gegen die Einrichtungen des Gentech-Konzerns, Transporter mit Embryo-Kühlcontainern brennen lichterloh. Mino und Khira schlagen sich auf die Seite der militanten Anti- Gentech-Kämpfer, Professor Daedalus bleibt in seiner Wissenschaftlerrolle stecken und steht paralysiert neben brennenden Autos.

Die Filmhandlung wird angereichert mit Interviews mit real existierenden Gen- und Reproduktionstechnikern, Wissenschaftlern von Samenbanken und Zukunftsdenkern. Ungehemmt sprechen sie über ihre Pläne zur Rettung der Menschheit. Sie zeigen Schweine mit künstlich eingesetzten Wachstumsgenen, die sich vor lauter Wachstum nicht mehr auf den Beinen halten können. Sie schwärmen von einem prächtigen, 1,87 Meter großen, hochintelligenten Super-Samenspender, dessen Erguß aber nur für intelligente Mütter reserviert ist. Sie träumen von einem Homo sapiens mit größerer Gehirnmasse, und sie forschen an der Menschwerdung in einer künstlichen Uterusmaschine mit echten Embryonen. Welche Augenfarbe hätten Sie denn gerne? fragt die Dame von der Samenbank. Soll der Vater ein bißchen künstlerisch veranlagt sein?

Die Realität zeigt sich erneut der Fiktion überlegen. Die noch so diabolisch dreinblickenden Fieslinge des Helix-Konzerns sind nicht annähernd so eindrucksvoll wie die richtigen Gen-Bastler mit ihrem freundlichen Lächeln.

So verkommt Pepe Danquarts Filmhandlung zur Staffage für die Interviews. Daedalus dringt zu immer neuen Geheimaufzeichnugen vor, die nichts anderes enthalten als die tatsächlichen Äußerungen von richtigen Wissenschaftlern, die dann eingespielt werden. Daß die Interviews echt sind, dürfte allerdings manchem Kinobesucher erst im Abspann aufgegangen sein.

Zudem kommt der Film vom Klischee des Gentechnikers als Frankenstein nicht los — und die Ausstattung des Helix-Konzerns erinnert auffällig an die Ästhetik von Metropolis: Daedalus präsentiert gut und böse so differenziert wie amerikanische Lassie-Filme und er ist auch noch reichlich chaotisch. Schade um die Interviews: Aus ihnen ließe sich ein ausgezeichneter Dokumentarfilm über die Gentechnik und ihre Protagonisten machen. Manfred Kriener

Pepe Danquart: Daedalus, mit Moc Thyssen, Maja Maranow, Stefan Merki, Medienwerkstatt Freiburg/Dschoint Ventschr AG Zürich, BRD/Schweiz 1991, Schwarzweiß und Farbe, 95 Min.

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