Lasertag als Party: Unendlich viele Leben zu verspielen
Es macht schon Spaß, mal ein paar Runden mit Laser-Phasern rumzuballern. Selbst seinen Pazifismus muss man nicht gleich über den Haufen werfen.
E s ist kurz vor zehn. Samstagmorgen auf der Reeperbahn. Der Weihnachtsmarkt auf dem Spielbudenplatz ruht hinter Absperrgittern. Ein Mitarbeiter fegt den Müll der vergangenen Nacht zusammen. Es riecht nach Rindenmulch, Senf und Glühwein. Unbeeindruckt wirft sich die Sonne in Bier- und Urinpfützen, eine ausgeschlafene Kleinfamilie radelt in Ausflugslaune über den Gehweg. Ich bin unterwegs zu einer Geburtstagsfeier – mit einem Dutzend Halbwüchsiger im Lasertag St. Pauli. Nach zwei Jahren Partypause, nach zwei Jahren „wir holen das nach, versprochen“.
Beim Lasertag treten zwei Teams in einem dunklen, verwinkelten Raum, einer sogenannten Arena, gegeneinander an. Mit ungefährlichen Infrarotsignalgebern, „Phasern“, ausgestattet, punkten die Teams bei jedem „tag“, bei jeder Markierung. Gezielt wird auf die mit Sensoren versehenen LED-Westen des Gegenspielers, der dann für einige Sekunden deaktiviert ist. Weitere Punkte gibt es dazu, wenn man die „Base“ des gegnerischen Teams trifft. Teamplay und Geschicklichkeit seien gefordert, heißt es.
Und doch frage ich mich, ob sich das Spiel mit der kriegs- und krisenreichen Gegenwart und mit meiner pazifistischen Grundhaltung vereinbaren lässt. Als ich Teenager war, in den späten 80er Jahren, war ich vor allem für den Frieden. Mein Zimmer hatte ich mit eindeutigen Botschaften und selbst gemalten Tauben zu einem Ort meines zwar privaten, aber elementaren Protests gemacht. Jetzt bin ich mit einem meiner Teenagersöhne und seinen Gästen im Lasertag St. Pauli verabredet, das mit dem „3.0 Zone Lasertag System“ und „3-fach gebündelten, stark sichtbaren Laserstrahlen“ nicht weniger verspricht als eine „U 16 Lasertag Mega Party.“
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Im zweiten Stock des Klubhauses St. Pauli begrüßt uns eine Darth-Vader-Armee in Tapetenformat und ein irgendwie unpassender und doch angenehmer Raumduft nach synthetischer Blütenfrische. Ein Aromadiffuser dampft am Empfangstresen vor sich hin. Den habe sie gegen die fremden Schweißgerüche immer in Betrieb, lächelt die tiefenentspannte Dame am Empfang. Mit einem Blick erfasst sie die Anzahl der Gäste, schaltet das Erklärvideo ein und rückt eine Kiste Limonade ran.
Erst Deckung, dann Angriff
Wir bilden Teams, heißen „Hellfire“, „Blade“ oder „Olympia“ und haben unendlich viele Leben. Erst Deckung, dann Angriff, lautet die Strategie meiner Gruppe.
Mit den Westen fest am Körper und dem Phaser in Händen betreten wir von zwei Seiten die dunkle Spielfläche. Bassrhythmen dröhnen unheilvoll, grüne Laserstrahlen kreuzen sich im Nebel. Am Ende eines Gangs leuchtet eine Weste. Ich ducke mich, bin dennoch „getagged“ und kurz deaktiviert. Ich drehe mich um, ziele und markiere einen Gegner. „Well done“, raunt mir eine tiefe Computerstimme zu.
Bald wähne ich mich in einem Computerspiel, mit Hindernissen und Sackgassen, bald in einem immersiven Theaterstück mit Special Effects, die sich sogar mit meinem Jugendzimmerpazifismus vertragen. Tatsächlich überwiegen Teamfaktor und Sci-Fi-Ästhetik, harte Bezüge zur Realität werden hier nicht ansatzweise versucht.
Nach jeder Runde geht es raus in die Lobby, wo wir die Scores vergleichen und Limo trinken. Wir besprechen neue Taktiken und spielen noch zwei friedliche Runden, bis die nächste Gruppe auftaucht. Jungs, Mützen und ein Vater mit sperriger Tortentransportbox. Alle rufen laut durcheinander. Die freundliche Dame am Tresen lächelt. Gleich wird sie das Erklärvideo einschalten und die Getränkekiste ranschieben. Gut gelaunt gehen wir nach draußen. Die Sonne scheint und über die Reeperbahn streifen erste Touristengruppen. Es ist kurz nach zwölf.
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