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Lars Kraumes „Familienfest“ im ZDFHappy Birthday, Arschloch!

Ein prominentes Schauspieler-Ensemble trifft sich zum Zank am gedeckten Tisch. Der Film ist genretypisch und erwartbar unsubtil.

Hannelore Elsner und Lars Eidinger am Rande des Familienzwists Foto: ZDF

Familienfeste sind quasi ein Filmgenre für sich. Da finden sich die in alle Winde zerstreuten, die mehr und die weniger missratenen Abkömmlinge in einem stets ausgesprochen großbürgerlichen Ambiente ein, um einen Jubilar zu feiern, der immer der Patriarch ist, dessen Egozentrik sie für ihre eigene Verkorkstheit verantwortlich machen – und um der jahrzehntelang angestauten Wut, jetzt wo die vielen Kameras da sind, endlich Luft zu machen. Das Ungesagte auf den festlich gedeckten Tisch zu bringen. Die Gaben, die bei verfilmten Familienfesten aufgeschnürt werden sind die Lebenslügen. Es muss ja nicht immer gleich um sexuellen Missbrauch und Selbstmord gehen, wie in Thomas Vinterbergs Dogma-Klassiker „Das Fest“.

In „Familienfest“ gibt sich Regisseur Lars Kraume (Buch: Andrea Stoll, Martin Rauhaus) allerdings auch nicht mit viel weniger zufrieden: Der Großkünstler am Dirigentenstab Hannes (Günther Maria Halmer), der also seinen Siebzigsten begeht, pflegte als Haustyrann seine Frau (Hannelore Elsner) und drei Söhne (Marc Hosemann, Lars Eidinger, Barnaby Metschurat) in früheren Zeiten auch mal zu verprügeln. Die Frau nahm dann irgendwann Reißaus, die Söhne nahm sie nicht mit: „Er bekam das Sorgerecht. Vielleicht weil ich damals schon vor dem Frühstück ’ne Flasche Bacardi getrunken hab.“ Ihre Nachfolgerin (Michaela May), die geblieben ist, heißt sie deshalb „Pantoffeltierchen“, während Hannes die drei Söhne, sein „Lebenswerk“, so einsortiert: „Ein Windei. Ein Schlaumeier. Und ein Schwuler.“

Der Schwule möchte mit seinem Lebensgefährten ein Kind adoptieren, Hannes soll Großvater werden: „Heißt das denn überhaupt ‚Großvater‘, wenn ein Kind quasi aus dem Katalog bestellt wird?“ Der Schlaumeier analysiert: „Es ist irgendwie stimmig, dass sich in 30 Jahren nichts an deiner bodenlosen Primitivität geändert hat.“ Das Windei hat indes ganz andere Sorgen – die Schulden sind nichts Neues, wohl aber diese Sorte Gläubiger: „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mir den Finger gebrochen hab, weil ich ihn mir eingeklemmt hab?!“ Aber die Geschäftsidee ist brillant: „Wenn dieser Algorithmus funktioniert, dann können wir Börsenkurse im Voraus berechnen, verstehst du?!“

Wir verstehen vor allem, dass „subtil“ Lars Kraumes Sache nicht ist. Das hatte er schon vor ein paar Wochen eindrucksvoll unter Beweis gestellt, als es ihm gelungen war, unter dem edlen Etikett der Aufklärung über die Möglichkeiten und Grenzen des Rechtsstaats eben diesen vorzuführen. „Terror – Ihr Urteil“ war ein TV-Prozess nicht gegen, sondern für einen Kampfpiloten, der ein entführtes Passagierflugzeug abgeschossen hatte, um die Menschen in einem Fußballstadion zu retten. Nach fünf Minuten Speed-Beratung wurde anschließend der Pilot vom Volkgerichtshof der Frank-Plasberg-Zuschauer freigesprochen. Die juristischen Fehler (angefangen bei der Strafvorschrift im Anklagesatz) waren so grundlegend und so ignorant, dass Kraumes Manipulation zwar als Dokument des Fernsehens in postfaktischen Zeiten in die TV-Geschichte eingehen wird – aber eben nicht als: subtil.

Der Film

„Familienfest“, Regie: Lars Kraume: Montag, 20.15 Uhr, ZDF.

In „Familienfest“ trägt Kraume nun wieder ganz dick auf, und es kommt immer dicker: „Zwölf Ärzte. Sieben Kliniken. Elf Behandlungszyklen“ hat der „Klugscheißer“-Sohn schon hinter sich. Er wird die genretypische Eklat-Rede auf und gegen den Tyrannen halten – und das Familienfest nur um wenige Tage überleben. Sorry für den Spoiler, aber dass der Einzug haltende Tod den Tyrannen doch noch milde stimmen und die Familie wieder zusammenbringen soll, ist so absehbar wie holzhammermäßig – unsubtil. Und es macht zugleich jede Lesart des Films als Klamotte endgültig unmöglich. Obwohl: Dass der Todgeweihte von der zweiten Filmminute an aussieht, als hätte ihn die Maske bereits fürs Sterbebett zurechtgemacht; dass er dann jedes Mal abgebügelt wird, wenn er einem Familienmitglied gegenüber von seiner Krankheit anfangen will – das hätte durchaus Potential für den Running Gag in einer Klamotte. Tragikomisch, wenn es das sein soll, verlangt nach einer – subtilen – Balance von tragisch und komisch.

Und dass ausgerechnet Lars Eidinger das spielen muss. Der hat nämlich nicht nur in „Terror“ als Verteidiger-Darsteller mitgemacht, sondern bereits in Hans-Christian Schmids „Was bleibt“ den verkorksten Sohn zu Besuch im Elternhaus gegeben. Dieser Film und Magnus Vattrodts/Matti Geschonnecks ZDF-Produktion „Ein großer Aufbruch“ (mit Hannelore Elsner) haben hierzulande zuletzt pointierte Standards des Familienfest-Filmgenres gesetzt. Standards, die auch nach Lars Kraumes Fernsehfilm mit Kinoauswertung der Maßstab bleiben.

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