Langlaufhalle in Oberhof eröffnet: Millionen für Medaillen

Deutschlands Loipensportler können jetzt auch im Sommer auf Schnee trainieren. Dafür sorgt ein überdimensionaler Kühlschrank mitten im Thüringer Wald.

Ein teurer Traum für Wintersportler: die erste Skilanglaufhalle Deutschlands. Bild: dpa

Der größte und wohl auch teuerste Kühlschrank Thüringens, wie ihn Spötter nennen, die erste Skilanglaufhalle Deutschlands, zugleich die modernste Anlage der Welt, wie die Erbauer betonen, ist am Montag in Oberhof von Polit- und Sportprominenz eingeweiht worden.

Bei Außentemperaturen von 25 Grad kam die Besichtigung der auf minus 4 Grad dauergekühlten Anlage für das Sommer- und Herbst-Training der Winterolympioniken, eher einem Kultur- denn Kälteschock gleich. Bis auf eine mit Fenstern versehene Haupthalle findet man einen mit dreißig Zentimetern Kunstschnee belegten Betonschlauch mit Verzweigungen vor. Die Streckenlänge in dem Ungetüm beträgt 1.900 Meter, es gibt Steigungen von bis zu 12 Prozent.

Der Termin, zu dem eigens Sportminister Wolfgang Schäuble mit dem Hubschrauber einflog, passte offenbar gut zum finalen Wahlkampf der Thüringer Christdemokraten. Die Skihalle, die schon im Juli nach nur 13-monatiger Bauzeit ihren Betrieb aufnahm, hat nach Aussage der Erbauer ca. 14,7 Millionen Euro gekostet, finanziert von Bund und Land. Nun liegt ein hässliches weißes Krokodil mitten im dafür großflächig abgeholzten Thüringer Fichtenwald. Die Betriebskosten für die Halle sollen pro Jahr laut Berechnungen der Planer bei 700.000 Euro liegen.

Deutschlands oberster Sportfunktionär und bekennender Biathlonfan Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds, schwadronierte: "Das ist ein großer Tag für den deutschen Sport, eine neue Dimension. Mit dieser Skihalle sichern wir die Wettbewerbsfähigkeit der Athleten, die uns Platz 1 in der Nationenwertung beschert haben in Turin." Einige Journalisten applaudierten begeistert. Dann war Sportminister Schäuble dran: "Wir meinen es ernst, wenn junge Leute sich im Hochleistungssport auf höchstem Niveau stellen, damit sie im sauberen Wettstreit mit anderen Nationen erfolgreich bleiben."

Neben den Spitzenathleten wie Langlaufweltmeister Axel Teichmann, der sich freute, "nun nicht mehr für jeden Materialtest bis nach Skandinavien oder in die Alpen fahren zu müssen", kann die Anlage auch stundenweise von Breitensportlern genutzt werden. Kostenpunkt: 14 Euro für die erste Stunde.

Über das Prestigeprojekt konnten sich indes nicht alle freuen. Oberhofer Bürger demonstrierten vor der Halle, weil das 1996 eröffnete Spaßbad, die "Rennsteigtherme", seit dem Herbst letzten Jahres wegen einer hochdefizitären Energiebilanz und zu geringer Frequentierung geschlossen werden musste. Die Therme war das einzige Ganztagesangebot für die Urlauber, die wegen der fehlenden Attraktivität des auf 1.650 Einwohner geschrumpften Kleinstädtchens zunehmend ausbleiben.

Auch die Thüringer Grünen protestierten vor der Skihalle mit einem Spruchband, auf dem stand: "Klimaschutz geht anders". Thüringens Grünen-Spitzenkandidat Dirk Adams sagte: "Tausend Tonnen Kohlendioxidausstoß pro Jahr sind zu viel, das entspricht sieben Millionen Flugkilometern". Der Stromverbrauch der 620-Kilowatt-Kühlanlage entspreche pro anno dem von 430 Einfamilienhäusern.

Bemerkenswerterweise erschien die geballte Ansammlung von Landespolitikern bei der Einweihungsfeier, auch die Linkspartei war vor Ort. Nirgendwo sonst als im Sport verstehen sich im Freistaat alte Stasispitzel, Ex-SED-Genossen und DDR-Sportfunktionäre so gut mit CDU-Größen. Darunter sind zahlreiche Blockflöten, die sonst im politischen Tagesgeschäft keine Gelegenheit auslassen, auf die einst Verantwortlichen im SED-Regime und deren Nachfolger verbal draufzuhauen.

Neben dem Exoberst der Nationalen Volksarmee und Chef des Armeesportklubs in Oberhof sowie Langlaufweltmeister von 1974, Gerhard Grimmer, tummelten sich zur Weihe der "Kathedrale des Wintersports" (Freies Wort) auch zahlreiche einstige Stasispitzel aus dem Oberhofer Sport. Im sterilen Festzelt feierten der Generalsekretär des Deutschen Skiverbandes (DSV), Thomas Pfüller, einst Spitzenfunktionär des DDR-Skisports mit Dopingvergangenheit, mit den CDU-Granden Schäuble und Ministerpräsident Dieter Althaus.

Unter den Festgästen weilten noch zwei umstrittene Personen. Gegen den Oberhofer Bürgermeister Thomas Schulz sind bei der Staatsanwaltschaft Erfurt noch zwei Ermittlungsverfahren anhängig, wegen Betrugs- bzw. Untreue-Verdachts. Schulz beteuert: "Ich bin unschuldig." Das sagt auch der Leiter des Wintersportzentrums Oberhof, Wolfgang Filbrich. Auch gegen ihn wird ermittelt. Filbrich steht unter Verdacht, bei der Planung der Skihalle Bestechungsgelder angenommen zu haben.

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