Landwirtschaft in Dänemark: Die Kuh besteuern
Dänemark will seine Landwirtschaft zukunftsfähig machen und sie entsprechend an den Klimakosten beteiligen. Wie das aussehen könnte, ist Neuland.
In Dänemark mit seiner intensiven Tierhaltung ist die Branche für 35 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Will man bis 2045 „klimaneutral“ werden, wie Ministerpräsidentin Mette Frederiksen versprochen hat, wird das definitiv nicht funktionieren, wenn der Agrarsektor nicht seinen Teil dazu beiträgt.
Eine CO2-Abgabe soll es nun bringen. Wenn Dänemark es schafft, ein solches Preisschild für die Klimakosten der Landwirtschaft zu entwickeln, würde das Land weltweit eine Pionierrolle spielen. Es gibt bislang nur ein weiteres mit ähnlichen Plänen: Neuseeland. Dort liegt der Anteil des Agrarsektors an den Treibhausgasemissionen des Landes sogar bei rund 50 Prozent. Und dort sollen die landwirtschaftlichen Betriebe ab 2025 eine Abgabe zahlen, die sich an der Größe ihrer Viehherden und am Düngemitteleinsatz orientiert.
Grüne Klimasteuer in Dänemark
Für Dänemarks Industriebetriebe wurde bereits im vergangenen Jahr eine sogenannte grüne Steuerreform beschlossen. Ab 2030 müssen sie eine Abgabe von umgerechnet 100 Euro pro Tonne CO2-Ausstoß entrichten, wenn sie dem EU-Quotensystem unterliegen, wenn nicht, werden 50 Euro fällig.
Es sei wesentlich einfacher zu messen, wie viel CO2 aus einem Schornstein kommt, als wie viel Klimagase ein Bauernhof verursacht, sagt Lars Gårn Hansen vom Institut für Ernährungs- und Ressourcenökonomie der Universität Kopenhagen und Mitglied einer Expertengruppe, die ein Modell für entsprechende Abgaben entwickelt hat. Zugleich ist der Auftrag an die Regierung aber, für Industrie und Landwirtschaft eine einheitliche Besteuerung von 140 Euro pro Tonne CO2 hinzubekommen. Die Einnahmen sollten dann wiederum in Form von Entwicklungsgeldern für eine Umstellung auf nachhaltigere Produktion den Betrieben wieder zugutekommen.
Torsten Hasforth vom grünen Thinktank Concito sieht klimatechnisch mehrere Herausforderungen für die Landwirtschaft: beispielsweise den Umgang mit Gülle oder eine Verringerung der durch den Einsatz von Stickstoffdüngern verursachten Lachgasemissionen. Das große Problem sei aber vermutlich, dass es relativ wenige technische Möglichkeiten zur Verminderung des Klimagasausstoßes bei den Tierbeständen selbst gebe, sagt Concito-Experte Torsten Hasforth. Tatsächlich gehe es nicht, ohne die Bestände selbst zu verringern.
„Todesstoß für große Teile der Lebensmittelproduktion“
Und das wiederum gelinge automatisch, wenn Tierhaltung zu teuer werde, erwartet Wissenschaftler Hansen. Und ja, das könne dazu führen, dass dort jeder vierte der derzeit 120.000 Arbeitsplätze verschwinde. Aber wenn die das Klima besonders belastenden Produkte teurer würden, würden die VerbraucherInnen ihre Konsumgewohnheiten ändern – und dann entstünden wieder neue Arbeitsplätze. Der künftige dänische Agrarsektor würde also ganz anders aussehen als der heutige: „Ohne eine solche Umstellung sind die Klimaziele nicht zu erreichen.“
Die Agrarorganisation Landbrug og Fødevarer warnt dagegen, die Regierungspläne ähneltnen einem „gigantischem Experiment“. Sie hält es nicht nur für „im Großen und Ganzen unmöglich“, den Klimagasausstoß einzelner landwirtschaftlicher Betriebe so exakt zu ermitteln, wie das für eine rechtssichere Berechnung einer CO2-Abgabe erforderlich wäre. Sie befürchtet auch einen regelrechten „Todesstoß für große Teile der Lebensmittelproduktion“, wenn die Pläne verwirklicht würden. Die dänische Landwirtschaft wäre nicht mehr konkurrenzfähig, viele Waren müssten importiert werden. Niels Peter Nørring, Klimachef des Branchenverbands, sagt: Statt einer CO2-Abgabe „soll der Markt das lösen“.
Die Regierung in Kopenhagen hat den Ehrgeiz, alles unter einen Hut zu bringen. Ihr Auftrag an eine Expertengruppe, die nun Szenarien erarbeiten soll: „Die Steuer muss so gestaltet werden, dass die Branche unterstützt und ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht beeinträchtigt wird und Arbeitsplätze nicht aus dem Land verlagert werden.“
„Der Regierung fehlt nach wie vor die Erkenntnis, dass ein grundlegender Umbau der Landwirtschaft mit deutlich weniger Tierproduktion unausweichlich ist, wenn wir die Klima- und Biodiversitätsziele erreichen wollen“, kritisiert Greenpeace-Generalsekretär Mads Flarup Christensen. Biologe Søren Mark Jensen sieht das ähnlich. Länder wie Irland und die Niederlande würden viel zielgerichteter an der Verkleinerung der konventionellen Haustierproduktion arbeiten. Außerdem werde der Arbeitsmarkteffekt übertrieben. Dänemarks Landwirtschaft, die früher ein wichtiger Wirtschaftszweig gewesen sei, umfasse heute nur noch rund 7.500 Vollerwerbsbetriebe: „Und ihre Belegschaft, die größtenteils aus Niedriglohn-Osteuropäern besteht, macht insgesamt einschließlich der Nebenbetriebe wie Schlachthöfe, Molkereien und Tiertransporte nur 2 bis 3 Prozent der dänischen Gesamtbeschäftigung aus.“ Der Anteil der Landwirtschaft am Bruttosozialprodukt betrage auch nur 1,3 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin