Landtagswahl in Thüringen: Immer noch alles offen
Hat die FDP wirklich den Einzug in den Thüringer Landtag geschafft? Die Kreiswahlleiter prüfen Beschwerden über mögliche Unregelmäßigkeiten.
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Die FDP muss weiter um ihren Einzug in den Thüringer Landtag zittern. Der Vorsprung von 5 Stimmen, mit dem die Partei nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis der Landtagswahl vom vorigen Sonntag den Sprung über die Fünfprozenthürde geschafft hatte, wackelt.
In mindestens sechs Wahlkreisen liegen Beschwerden über mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung zugunsten der Partei vor. Das bestätigte das Büro des Landeswahlleiters der taz. Die entsprechenden Hinweise würden „derzeit von den zuständigen Kreiswahlleitern geprüft“, teilte es der taz am Freitag mit.
Die Vorwürfe klingen gravierend. Eine Auswahl: So soll die FDP im Wahlkreis Weimarer Land I/Saalfeld-Rudolfstatt III in zwei Wahllokalen in Bad Berka tatsächlich weniger Stimmen erhalten haben, als für sie registriert wurden. Das soll auch im Lokal Bad Langensalza im Wahlkreis Unstrut-Hainich-Kreis II vorgekommen sein. Darauf hingewiesen, habe sich der dortige Wahlvorstand geweigert, eine Nachzählung durchzuführen.
Im Lokal Oberdorla im selben Wahlkreis sollen ungültige Stimmen zu gültigen Stimmen für die FDP „umgewidmet“ worden sein. Und im Wahlkreis Greiz I sollen in einem Wahllokal Stimmen für die CDU und SPD der FDP zugerechnet worden sein. Trotz Ansprache der zwei Auszählenden sei keine Korrektur erfolgt. Stattdessen sei ein Zeuge bedroht worden.
In keinem der oben beschriebenen Fälle waren die jeweiligen Kreiswahlleiter bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme erreichbar. Bis Montag haben sie noch Zeit, um zu überprüfen, welche Substanz die Beschwerden haben. Bis dahin könnten sie auch noch Neuauszählungen anordnen. Die Auswirkungen auf das Abschneiden der FDP sind derzeit also noch völlig ungewiss. Am Donnerstag will der Landeswahlleiter das amtliche Endergebnis vorlegen.
Fest steht allerdings, dass es auf jeden Fall Abweichungen geben wird. Denn in mehreren Wahlkreisen hat es bei den Schnellmeldungen der Stimmergebnisse am Wahltag Übertragungsfehler gegeben. So hat der Wahlausschuss in Jena inzwischen das Ergebnis der FDP um zwei Stimmen nach unten korrigiert, in Weimar verlor die Partei sogar vier Stimmen.
Nichtsdestotrotz gibt sich die FDP unverdrossen zuversichtlich, den Wiedereinzug in den Landtag geschafft zu haben. So verweist FDP-Landesgeschäftsführer Tim Wagner darauf, dass in anderen Kommunen Meldefehler auch zugunsten der FDP korrigiert worden seien.
Das entspricht den Tatsachen, wie mehrere Kreiswahlleiter der taz bestätigt haben. Beispiel Gotha: Da waren bei der Schnellmeldung eines Wahllokals versehentlich 13 FDP-Stimmen der NPD zugeschlagen worden. Im Wartburgkreis waren am Wahlabend sogar 15 Stimmen zu wenig auf dem Konto der FDP verbucht worden. Und in Hildburghausen bekommt sie jetzt noch eine zunächst bei den Piraten verbuchte Stimme hinzu.
Bei der Landtagswahl war die Linkspartei von Ministerpräsident Bodo Ramelow stärkste Kraft geworden. Laut vorläufigem Endergebnis gewann sie 31 Prozent der Stimmen. Auf dem zweiten Platz folgte die AfD mit 23,4 Prozent, die CDU landete mit 21,8 Prozent nur auf dem dritten Platz. Die SPD bekam 8,2 Prozent, die Grünen errangen 5,2 Prozent der Stimmen.
Damit hat die bisherige rot-rot-grüne Koalition ihre Mehrheit im Landtag verloren. Linkspartei, SPD und Grüne wollen trotzdem gemeinsam weiterregieren. CDU-Oppositionsführer Mike Mohring hofft hingegen auf eine Minderheitsregierung aus CDU, SPD, Grünen – und FDP.
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