Landtagswahl in Sachsen-Anhalt: Gleiche Chancen für Rot-Rot
Eine Woche vor der Wahl scheint ein Regierungswechsel möglich: Die SPD holt in Umfragen auf und liegt mit der Linken gleichauf. Die CDU muss jetzt bangen.
BERLIN taz | Keine Skandale, kein Streit, keine Wechselstimmung. Wirklich interessiert hat sich für die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt bundesweit bisher kaum jemand. Doch mit der am Freitag veröffentlichten letzten Umfrage vor den Wahlen am 20. März kommt Schwung in den Wahlkampf. Lag die SPD wochenlang 6 Prozentpunkte hinter der Linken, landen beide jetzt laut Politbarometer bei 24 Prozent. Eine rot-rote(-grüne) Koalition wird so wenigstens vorstellbar.
Die CDU führt mit 32 Prozent. FDP, Grüne und NPD liegen bei 5 Prozent. Nachdem CDU-Landeschef Wolfgang Böhmer nicht mehr antritt, schien die Fortsetzung der großen Koalition unter Nachfolger Reiner Haseloff klar. Da konnte Linken-Spitzenkandidat Wulf Gallert noch so viel Zweckoptimismus verbreiten. Die Ansage der SPD lautet: keinen linken Ministerpräsidenten zu wählen.
Über eine mögliche rot-rote Regierung wollen die Sozialdemokraten aber vor der Wahl noch nicht diskutieren. "Darüber werden wir entscheiden, wenn wir mit CDU und Linken verhandelt haben", sagte SPD-Fraktionschefin Katrin Budde der taz. Inhaltlich gebe es zwar größere Übereinstimmungen mit der Linkspartei. "Aber die könnte es auch mit der CDU am Ende von Koalitionsverhandlungen geben."
Bei der Linkspartei bleibt man optimistisch. "Die Umfragewerte machen mich nicht nervös", sagte Landeschef Matthias Höhn der taz. Man wolle weiter stärkste Kraft werden. Offen sagen will es zwar keiner, insgeheim wären einige in der Linken aber wohl gar nicht so unglücklich über eine stärkere SPD, wäre das doch die einzige Chance auf Rot-Rot und damit den angestrebten Politikwechsel. Man wäre Sieger in der Niederlage.
Die CDU dürfte angesichts der neuen Umfragewerte alarmiert sein. Bisher wähnte man sich sicher, einzige Option für die SPD zu sein, jetzt können die Sozialdemokraten den Preis für die große Koalition hochtreiben. Das Motto für die letzten Tage vor der Wahl gibt Fraktionschef Jürgen Scharf vor: "Wir müssen noch besser werden", sagte er der taz und warnte vor "unnötigen politischen Experimenten". Ob und wie weit man der SPD inhaltlich in Verhandlungen entgegenkommen werde, wollte er nicht sagen. "Nur so viel: 2006 lagen wir auch in einigen Positionen weit auseinander und haben uns letztlich doch geeinigt." Es klingt, als würde man für den Machterhalt einige Kröten schlucken - etwa bei der Bildungspolitik, wo die SPD längeres gemeinsames Lernen fordert.
Mit Sorge betrachten alle demokratischen Parteien die für die NPD prognostizierten 5 Prozent. Der Einzug in den Landtag scheint wahrscheinlich. Die Rechtsextremen haben massiv plakatiert und treten mit einem bürgerlichen Biedermeier-Ima-ge auf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis