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Landtagswahl in BrandenburgGrüne macht auf Landeschefin

Brandenburgs grüne Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher bringt sich überraschend selbstbewusst als nächste Ministerpräsidentin ins Spiel.

Große Pläne: Brandenburgs grüne Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher Foto: dpa

Berlin taz | Drei Wochen vor der Brandenburger Landtagswahl stellen sich die dortigen Grünen auf eine Regierungsbeteiligung ein. Auf einem kleinen Parteitag in Potsdam hat die Fraktionsvorsitzende im Brandenburgischen Landtag Ursula Nonnemacher überraschend erklärt, sie stünde für das Amt der Ministerpräsidentin bereit. „Natürlich wollen wir regieren, wollen gestalten, wollen unser Land Brandenburg erneuern“, sagte Nonnemacher vor den Delegierten. „Und ja, ich würde als Spitzenkandidatin auch für dieses Amt bereitstehen, sollte es uns nach der Rangfolge der demokratischen Parteien zustehen.“

Die 62 Jahre alte Medizinerin sitzt seit zehn Jahren für die Grünen im Potsdamer Landtag. Die Innenexpertin war bereits 2014 Spitzenkandidatin, damals holte ihre Partei gerade einmal 6,2 Prozent und sechs Mandate. Das Selbstbewusstsein, sich selbst als neue Ministerpräsidentin des Zweieinhalb-Millionen-Einwohner-Landes ins Gespräch zu bringen, zieht die Fraktionschefin vor allem aus den aktuellen Forsa-Umfrageergebnissen.

Danach kämen die Brandenburger Grünen auf 16 Prozent der Stimmen. Das heißt: etwa Gleichstand mit der regierenden SPD (17 Prozent), der CDU (18) und der Linken (14). Die AfD käme aktuell mit 21 Prozent der Stimmen auf den ersten Platz; die zuletzt nicht vertretene FDP muss um ihren Wiedereinzug kämpfen. Denkbar wären nach dem 1. September Bündnisse von CDU, Grünen und der Linken sowie von SPD, Grünen und der Linken. Ohne die Ökopartei wäre derzeit keine Regierungsbildung möglich.

„Wir bleiben auf dem Teppich“

Wir bleiben auf dem Teppich, auch wenn der Teppich fliegt

Co-Spitzenkandidat Benjamin Raschke

Zum Parteitag in Potsdam war neben dem Gründer des Instituts für Klimafolgenforschung Hans-Joachim Schellnhuber auch Verdi-Chef Frank Brsirske gekommen. Parteichefin Annalena Baerbock sagte vor den Delegierten, die Grünen dürften den WählerInnen nicht das Blaue vom Himmel versprechen. „Die Menschen sind doch nicht blöd. Sie wissen, dass die Dinge komplex sind.“

Der vom Parteitag beschlossene 12-Punkte-Plan trägt den dazu passenden Titel „Brandenburg ist erneuerbar“. Der Leitantrag sieht neben der Förderung ökologischer Landwirtschaft, mehr öffentlichem Nahverkehr sowie Unterstützung für Familien auch den schnelleren Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis 2030 vor. Derzeit ist dieser bis 2038 geplant. Als weitere Ziele nannte Nonnemacher den Kampf gegen Kinderarmut und den Pflegenotstand. Auch mit der Wirtschaft werde der Dialog zusehends intensiver.

Ihr Co-Spitzenkandidat Benjamin Raschke nannte den Kohleausstieg als Bedingung für eine Regierungsbeteiligung seiner Partei. Die Koalitionsfrage hänge außerdem vom Ziel einer offenen Gesellschaft und vom Ausbau von Bus und Bahn ab. Die Grünen stünden angesichts der steigenden Umfragewerte überraschend vor einer neuen Situation, sagte Raschke. „Wir bleiben auf dem Teppich, auch wenn der Teppich fliegt.“

Annalena Baerbock schwor die Parteimitglieder für die verbleibende Zeit bis zur Wahl auf einen intensiven Straßenwahlkampf ein – „an jedem Ortsmittelpunkt, an jedem Bahnhof, an jeder Schule, an jeder Kita und an jedem Schwimmbad“. Bei der Landtagswahl 2014 sei jedeR zweite BrandenburgerIn zu Hause geblieben. „Diesen Menschen müssen wir sagen: Es lohnt sich, wir können was veränderm.“

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6 Kommentare

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  • Eine Medizinerin. Da ist ja mal wieder die Arbeiterklasse in guten Händen.

  • Bei der Europawahl kamen die Grünen in BB auf 12%. Vermutlich hat Forsa (so wie die anderen Institute) einfach die Stimmen welche die anderen Umweltparteien bei der Europawahl bekamen bei den Grünen aufaddiert. Ich halte das für Milchmädchenarithmetik, denn es hat ja einen Grund, warum diese Wähler die Grünen eben nicht gewählt haben. Vermutlich werden sie wie schon 2014 daheim bleiben. Das stärkt natürlich die größeren Parteien, aber selbst mit der Mickerbeteiligung von 2014 reichen die Stimmen nur für 15%, sofern sie diese überhaupt bekommen.

  • Uiuiui, da kann es jemand aber gar nicht abwarten, endlich an die Schalthebel der Macht zu kommen 🙄

    Solche hochtrabenden Verlautbarungen, noch dazu von einer Politikerin, die in Brandenburg nur einer Minderheit aller Bürger bekannt ist, schon vor der eigentlichen Wahl zu verbreiten, zeugt nicht gerade davon, dass die Grünen auf dem Teppich bleiben. Ob das beim Wähler wohl gut ankommt?

    • @Grandiot:

      Bei den im Artikel genannten Umfragewerten müssen die Grünen ihre Bereitschaft zeigen, auch die Landesmutter zu stellen. Es ist Unfug, von einer Politikerin zu verlangen, nicht nach den Hebeln der Macht zu greifen. Politik ist der Umgang mit Macht.

      • @Tinus:

        Welche Macht hat man denn als Ministerpräsidentin von Brandenburg?

      • @Tinus:

        Sie müssen schon genau lesen: Ich habe nicht kritisiert, dass Frau Nonnenmacher nach der Macht greift, sondern, dass sie es nicht abwarten kann, danach zu greifen.

        Es ist für einen Spitzenkandidaten selbstverständlich, das er oder sie sich als MinisterpräsidentIn zur Verfügung stellt, sofern nach der Wahl die notwendigen Mehrheiten erreicht werden, egal ob er/sie den Grünen angehört, der SPD, CDU oder sonst wem.

        Damit nun schon vor der Wahl hausieren zu gehen, wie Nonnenmacher es gerade vormacht, ist folglich nicht nur unnötig, es zeugt darüber hinaus auch von Ungeduld, politischer Kurzsichtigkeit und (grob überspitzt) Missachtung der Brandenburger Wähler. Laut einer Umfrage vom April 2019 trauen gerade mal 4 Prozent der Brandenburger den Grünen genügend kommunalpolitische Kompetenz zu.

        Vor diesem Hintergrund täte die Partei gut daran, zumindest noch die paar Tage bis zur Wahl "auf dem Teppich zu bleiben", anstatt sich gleich öffentlichkeitswirksam ins Rampenlicht zu drängen.

        Politik ist nämlich nicht nur der Umgang mit Macht, wie Sie sagen, sondern auch die Summe der Mittel, die nötig sind, um überhaupt erst an die Macht zu kommen und sich dort zu halten.

        Die Geschichte lehrt, dass politischer Übermut und Ungeduld sich zu diesem Zweck als eher weniger geeignete Mittel erwiesen haben.