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Landtagswahl in Baden-WürttembergTausende gegen Stuttgart 21

Wieder organisieren Bahnhofsgegner eine gut besuchte Großdemonstration in Stuttgart. Es geht weniger um das Projekt als um die Landtagswahl, sagt CDU-Verkehrsministerin Tanja Gönner.

"LetS21 putz - weg den alten Mief" - unter diesem Motte demonstrierten Tausende in Stuttgart. Bild: dapd

STUTTGART dpa/taz | Im Zeichen des Landtagswahlkampfs haben in Stuttgart erneut Tausende Menschen gegen das Milliarden-Projekt Stuttgart 21 protestiert. Die Aktion am Samstag lief unter dem Motto "LetS21 putz - weg den alten Mief". Vor dem Hauptbahnhof prangte ein zwölf Meter breites Banner "Kein Stuttgart 21! 27. 3. ist Landtagswahl - Gruß an Frau Merkel". Der Verein "Mehr Demokratie" verteilte gelbe Armbinden mit den Buchstaben CDU als schwarze Punkte und dem Schriftzug "blind gegen Volksabstimmungen". Die Bahnhofsgegner zogen vom Schlossplatz aus durch die Innenstadt.

Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) warf den Demonstranten vor, es gehe bei dem Protest gar nicht mehr in erster Linie um Stuttgart 21. Man habe den Eindruck, dass es "immer weniger um das Bahnprojekt und umso mehr um die bevorstehende Landtagswahl am 27. März gehe".

Die Polizei zählte bei der Kundgebung am Samstag in Stuttgart rund 15.000 Teilnehmer, die Veranstalter sprachen von mehr als 39.000 Menschen. Es sollte die vorletzte Großdemonstration vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 27. März gewesen sein. Auf dem Stuttgarter Marktplatz kamen fast gleichzeitig rund 300 Befürworter des geplanten unterirdischen Bahnhofs Stuttgart 21 zusammen. Die Veranstalter von der Interessengemeinschaft "Bürger für Stuttgart 21" verzichteten allerdings auf eine klassische Kundgebung.

Die Stuttgarter Stadtverwaltung kündigte unterdessen an, mit einem weiteren Gutachten zu Stuttgart 21 einem erneuten Bürgerbegehren gegen das Milliardenprojekt den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Initiatoren des neuen Bürgerbegehrens berufen sich auf Artikel 104a des Grundgesetzes. Daraus ergibt sich nach ihrer Ansicht, dass sich Länder und Gemeinden nicht an der Finanzierung von Fernbahnstrecken des Bundes beteiligen dürfen (Weitere Informationen unter www.buergerbegehren-stuttgart.de).

Bei Stuttgart 21 soll der alte Hauptbahnhof in eine unterirdische Durchgangsstation umgewandelt und an die künftige Schnellbahntrasse nach Ulm angeschlossen werden. Ein Schlichtungsverfahren unter der Leitung des CDU-Politikers Heiner Geißler versammelte im vergangenen Jahr Bahnhofsgegner und die von CDU und FDP gebildete Landesregierung an einem Tisch. Trotz des Schlichterspruchs, der den Weiterbau vorsah, gehen die Proteste weiter. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) sagte, der Gesprächsfaden zwischen Kritikern und Befürwortern solle nicht abreißen, und kündigte ein neues Dialogforum zu dem Projekt an.

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4 Kommentare

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  • S
    St21G

    Es war eine tolle Aktion am Samstag, den 19.03.2011. Besonders die kreativen, bunten und friedlichen Aktionen sind immer wieder Erlebnisse.

     

    Wenn die Mappusshow am 27.03.2011 ihr Ende findet, dann wird sicherlich einiges anders? Einige Spitzenpolitiker der Grünen sind vehement am Drücker um sich heute zu positionieren. Ihre Wankelmütigkeit ist nicht zu übersehen. Wenn die Mehrheit für den Tunnelbahnhof ist, dann müssen wir Kompromisse schließen, so eine grüne Politikerin. Im Übrigen erinnere ich immer wieder gerne an Zeiten als die machtbessenen Grünen für den Krieg und Agenda 2010 stimmten. Gestern auf der Podiumsdiskussion hat Herr Schmiedel SPD LT Kandidat das S21 Projekt verteidigt. Das war auch von vornherein bekannt.

     

    Wir brauchen vorallem mehr Bürgerbeteiligung und eine echte Demokratie und keine Parteien, die nach der Wahl versprechen was sie vor der Wahl versprachen!

  • D
    DasBertl

    Sicherlich geht es um die Landtagswahl. Schließlich DARF nicht vergessen werden, welche Partei bzw. welche Koalition eine schwerbewaffnete Meute gegen Rentner und Schüler gehetzt, auf diese eindreschen und vor allem mit Wasserwerfern einschießen lassen und hinterher das ganze versucht zu 1.) verharmlosen ("Sprühregen") und 2.) den Demonstranten in die Schuhe zu schieben (Kastanien heißen in der CDU offenbar "Pflastersteine"). Diese Koalition hat jedes Recht auf eine weitere Regierungszeit verwirkt. Von daher ist es richtig, dass es bei den Demos vor allem um die Landtagswahl geht. Allerdings geht es durchaus auch nach wie vor um S21 und das ist ja ebenfalls Bestandteil der Wahlen...

  • P
    Pitchblack

    ...mache sich jeder und jede selbst ein Bild von den "15.000" Menschen, die gestern wieder einmal vollkommen friedlich in Stuttgart für den EinZug der Vernunft in Sachen Bahnhof demonstriert haben:

     

    http://www.parkschuetzer.de/assets/statements/65690/original/IMG_4284_IMG_4291-8_images.jpg?12982132

  • RM
    R. Morlock Stuttgart

    Liebe taz

     

    vielen Dank aus Stuttgart, daß Sie immer wieder über den Widerstand der Bürger gegen ein sinnloses Prestigeprojekt in Stuttgart berichten. Seit den Gesprächen mit Herrn Geißler, die übrigens nie eine Schlichtung waren, sondern immer als Veranstaltung "alle Fakten auf den Tisch" gedacht war, ist folgendes klar geworden:

     

    1. Die Bahn und die Projektbetreiber mauerten an allen Ecken und Enden. Von "alle Fakten auf den Tisch" konnte keine Rede sein. Während der Sitzung glänzte der Bahnvorstand sogar mit mangelhaften Kenntnissen des Stuttgarter Kopfbahnhofes.

     

    2. Trotz alldem hat man der Bahn eine Vielzahl Informationen abgerungen. Und seither steht fest: Stuttgart 21 ist durch und durch Mangelhaft. Der geplante Tunnelbahnhof hat weniger Leistung und Flexibilität, ist im Betriebsprogramm störanfälliger als der alte und in den Punkten Sicherheit und Barrierefreiheit ein einziges Desaster.

     

    Wenn aber der neue Bahnhof schlechter ist als der alte, dann braucht man keinen neuen zu bauen. Und genau das ist der springende Punkt. Aber anstatt dies endlich zuzugeben, wird versucht, den Bürgern mittels eines eigens dazu abgerichteten Propagandabüros (verzeihung "Kommunikationsbüros") der Bürgern Sand in die Augen zu streuen. Aber diese Propaganda verfängt bei den Bürgern nicht mehr, statt dessen hat man bereits eine nahmhafte Werbeagentur zerschlissen.

     

    Frau Gönner ist es übrigens, die die gesamte Zeit bei Herrn Geißler mit am Tisch saß und heute noch genau dieselben Aussagen gebetsmühlenhaft wiederholt wie vor der Sitzung. Und dabei hat sie einiges nicht begriffen:

     

    Den Leuten geht es wirklich nur um den Bahnhof, dies aber völlig bedingungslos. Nur durch den Umstand, daß die CDU-Landesregierung und die übrigen Tunnelparteien rechts und links völlig taub sind für die Erkenntnisse unabhängiger Fachleute, ist es so, daß sich die Menschen hier lieber die Abwahl der Etablierten wünschen als diesen Bahnhof zu akzeptieren. Insofern hat die Landesregierung diese Situation selbst herbeigeführt.

     

    Um analog zu Frau Gönner zu antworten:

    Man könnte als Bürger hierzulande den Eindruck gewinnen, als vertrete das Verkehrsministerium eher die Interessen des Netzwerkes "lebendige Stadt" als die einer vernünftigen und zukunftsfähigen Bahn für Stuttgart und Baden-Württemberg.

     

    Und: Je höher der Stand an Detailkenntnissen über dieses Projekt, und das stelle ich in Gesprächen mit den Menschen hier immer wieder fest, um so größer ist deren Ablehnung.

     

    mit freundlichen Grüßen aus Stuttgart