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Landtagswahl NiedersachsenSchöner wohnen beim Staat

Beim Thema „Landeswohnungsbaugesellschaft“ scheiden sich die Geister der Großen Koalition in Niedersachsen. SPD und Grüne dafür, CDU und FDP dagegen.

Es gibt viel zu tun: Baustelle in Niedersachsen Foto: Melissa Erichsen/dpa

Hamburg taz | Bei der Frage, wie dem Mangel an bezahlbaren Wohnungen in Niedersachsen beizukommen ist, teilen sich die Landtagsparteien in zwei Lager: Während alle einräumen, dass es mehr Sozial­wohnungen geben sollte, plädieren SPD und Grüne für die Gründung einer Landeswohnungsbaugesellschaft – CDU und FDP halten das für überflüssig oder sogar nachgerade falsch.

Aufgebracht hat die Idee vor vier Jahren die Landesarmutskonferenz (LAK), in der die Wohlfahrtsverbände, viele Gewerkschaften und auch der Mieterverein Mitglied sind. „Allein in Niedersachsen fehlen über 100.000 bezahlbare Wohnungen“, warnt LAK-Geschäftsführer Klaus-Dieter Gleitze unter Verweis auf Schätzungen der landeseigenen N-Bank und des Pestel-Instituts. Das drohe, die Gesellschaft zu spalten.

Neben der Förderung von Sozialwohnungen müsse Niedersachsen deshalb eine eigene, nicht profitorientierte Wohnungsbaugesellschaft gründen, fordert die LAK. Anders als die 2005 von einer CDU-FDP-Regierung verkaufte Vorgängergesellschaft Nileg sollte diese nicht privatisierbar sein. „Damit würde ein sehr großer Akteur auf dem Wohnungsmarkt erscheinen, der sofort preisdämpfend wirken würde“, sagt Gleitze.

Die SPD machte sich den Vorschlag im Grundsatz zu eigen, konnte damit aber bei ihrem Koalitionspartner CDU nicht landen, sodass das Thema jetzt Gegenstand des Wahlkampfs ist. Einig sind sich die Parteien im Landtag darin, dass im Land zu wenige, insbesondere günstige Wohnungen gebaut worden sind.

Wohnen zur Miete

In Niedersachsen gibt es gut vier Millionen Wohnungen, knapp 1,7 davon zur Miete.

Genossenschaften verfügen über 122.000 Wohnungen, kommunale Gesellschaften über 133.000.

Die Mitgliedsunternehmen des VDW verlangen pro Quadratmeter netto kalt im Durchschnitt sechs Euro für Wohnungen im Bestand.

Zwar hat der Wohnungsbau in den Jahren 2018 bis 2021 kräftig angezogen, sodass im Schnitt 30.000 Wohnungen pro Jahr neu gebaut wurden, wie die Landesregierung mitteilte, dabei wurden aber durchschnittlich nur 1.600 Sozialwohnungen pro Jahr errichtet – statt der angepeilten 4.000. Weil gleichzeitig bei bestehenden Sozialwohnungen die Bindungsfrist endete, ging der Bestand an Sozialwohnungen auf ein Allzeittief von 55.000 im vergangenen Jahr zurück. 2012 waren es noch knapp 100.000 gewesen.

Die vielen Hundert Millionen Euro, die das Land für den sozialen Wohnungsbau bereitstellt, kommen offensichtlich nicht an. „Das Fördergeld wird nicht abgerufen“, sagt Alptekin Kırcı, der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Privaten Investoren sei die Förderrichtlinie zu kompliziert gewesen; bei Zinsen nahe null sei die Kapitalbeschaffung am Finanzmarkt zu billig gewesen und die Renditeerwartungen zu hoch.

„Die Privaten hatten fünf Jahre Zeit“, findet Christian Meyer, der baupolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. Der Markt habe versagt. Deshalb müsse der Staat einen neuen Weg gehen, um den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln. Die Grünen stellen sich wie die SPD eine öffentliche, gemeinnützige Gesellschaft vor, die Wohnungsbestände kauft, saniert und als Sozialwohnungen vermietet – und die darüber hinaus neue Sozialwohnungen baut.

Die neue Gesellschaft soll nach diesen Vorstellungen mit den existierenden kommunalen Wohnungsgesellschaften Hand in Hand arbeiten. Die Grünen schlagen vor, einen Teil der Bauverwaltung mit den von ihr betreuten Immobilien in die neue Gesellschaft zu überführen. Damit hätte diese einen Grundstock an Kapital und Know-how.

Angst vorm Wasserkopf

Für verlorene Liebesmüh hält das die FDP-Landtagsabgeordnete Susanne Schütz. „Wie kommt man auf die Idee, dass der Staat das besser kann?“, fragt sie. Der Fachkräftemangel, der die Baubranche plage, die unterbrochenen Lieferketten, die vielen Auflagen, die hohen Preise – „Das sind alles Probleme, die eine Landeswohnungsgesellschaft auch hätte“, sagt Schütz.

Mit der Gründung einer solchen Gesellschaft werde bloß eine teure zentrale Struktur geschaffen, die nichts von den Verhältnissen in den jeweiligen Kommunen verstehe. Sie wecke Erwartungen, die nicht erfüllt werden könnten und zu Politikverdrossenheit führten. Dabei gebe es doch die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften und die Genossenschaften. „Wir haben Player auf diesem Markt, die günstigen Wohnraum zur Verfügung stellen“, sagt Schütz.

Der CDU-Abgeordnete Martin Bäumer schlug ein Landes-Baukindergeld vor. Auch sei mehr Bauland auszuweisen, damit der Markt wieder funktioniere.

Dieter Rink vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig fände es „auf alle Fälle sinnvoll“, eine Landeswohnungsbaugesellschaft zu gründen. Es sei wichtig, dass sich die öffentliche Hand wieder stärker beim Wohnen engagiere. Denn nicht nur die Knappheit an Wohnungen sei ein Problem, sondern auch deren Kosten.

Stabilisierende Wirkung

„Das Problem der Bezahlbarkeit wird durch die heutigen Neubauten nicht gelöst, weil die im hochpreisigen Segment entstehen“, sagt der Stadtsoziologe. Eine solche Gesellschaft hätte wie die kommunalen Gesellschaften einen stabilisierenden Effekt, hätte aber zugleich ganz andere finanzielle Möglichkeiten als diese.

Der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen und Bremen (VDW), in dem vor allem kommunale und genossenschaftliche Unternehmen organisiert sind, verwies darauf, dass die Neubaumieten seiner Gesellschaften meist unter zehn Euro netto kalt lägen. Bei öffentlich geförderten Wohnungen sind es zwischen sechs und acht Euro.

Der VDW hat angekündigt, der Landesregierung entgegenzukommen. „Wenn es eine Landeswohnungsbaugesellschaft gibt, werden wir die Gründungsphase unterstützen“, sagt Verbandsdirektorin Susanne Schmitt.

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