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Landgrabbing in NiedersachsenAcker für Heuschrecken

Auch in Niedersachsen kaufen Großinvestoren landwirtschaftliche Flächen, während kleine Höfe sterben. Kommt der Mietendeckel für das Ackerland?

Auch in Niedersachsen ist immer weniger Ackerland in Bauernhand Foto: Jens Büttner/dpa

Hannover taz | Was das Problem angeht, sind sich ausnahmsweise alle Parteien im niedersächsischen Landtag einig: Das Höfesterben ist besorgniserregend. 6.200 landwirtschaftliche Betriebe haben in Niedersachsen allein zwischen 2010 und 2020 aufgegeben. Unter den Haupterwerbsbetrieben sind das 20 Prozent, rechnet die Landwirtschaftsexpertin der Grünen, Miriam Staudte, den Kol­le­g*in­nen nicht zum ersten Mal vor.

Neben den sinkenden Erzeugerpreisen sind die davongaloppierenden Pacht- und Bodenpreise unbestreitbar ein Grund dafür. In den letzten zehn Jahren haben sie sich mehr als verdoppelt. Das führt dazu, dass sich auch in Niedersachsen immer mehr branchenfremde Investoren auf diesem Markt tummeln. Ackerland verspricht mühelose und krisenfeste Renditen – selbstständige Landwirte, die einen Hof übernehmen oder ihren eigenen erweitern wollen, haben dann das Nachsehen.

An einer Lösung für dieses Problem wird schon länger geschraubt. Zu lange, sagt Miriam Staudte. 2015 hatte eine Bund-Länder-Kommission die Grundlagen für eine Neuregelung der Bodengesetze festgezurrt, die allerdings in wesentlichen Teilen Sache der Länder ist. Die aktuelle Landesregierung hatte dies in ihrem Koalitionsvertrag 2017 auch angekündigt – vorgelegt wurde der Gesetzentwurf aber noch nicht.

Deshalb haben jetzt die Grünen ihren Gesetzentwurf noch einmal entstaubt. Den hatte der damalige grüne Landwirtschaftsminister Christian Meyer vorgelegt. Zur Beratung gelangte er allerdings nicht mehr, weil dann überraschend Neuwahlen anstanden.

„Share Deals“ sollen erschwert werden

Mit dem nun noch einmal überarbeiteten Gesetzentwurf zur Agrarstrukturreform versuchen die Grünen an verschiedenen Punkten Pflöcke einzuschlagen. So sollen zum Beispiel die sogenannten Share Deals besser erfasst werden. Bei Share Deals erwirbt der Investor nicht den Boden selbst, sondern die Mehrheitsanteile an der (oft eigens gegründeten) Gesellschaft, der dieser Boden gehört.

Damit spart er die Grunderwerbssteuer, denn die wird erst fällig, wenn sein Anteil bei über 90 Prozent (bis vor Kurzem 95 Prozent) liegt. Solche Deals führen vor allem auch dazu, dass es kaum noch möglich ist, einen Überblick darüber zu bekommen, wie die tatsächlichen Besitzverhältnisse sind – im Grundstückskataster bleibt der Alteigentümer stehen, während sich die Spur der Beteiligten in verschachtelten Unternehmenskonstruktionen verliert.

Damit werden nicht nur Steuern gespart, sondern gleich mehrere gesetzliche Regelungen unterlaufen, die sicherstellen sollen, dass Bodeneigentum breit gestreut bleibt. Die Grünen fordern deshalb, die Bestimmungen im Bodenverkehrsgesetz noch einmal deutlich zu verschärfen, um sicherzustellen, dass ortsansässige Bauern ein Vorkaufsrecht haben und Konzentrationsprozesse auf ein verträgliches Maß gedrosselt werden.

So soll der Verkauf untersagt werden können, wenn er an branchenfremde Investoren oder Betriebe mit ohnehin schon marktbeherrschender Stellung geht. Außerdem sollen Kauf- und Pachtpreise gedeckelt werden.

Andere Parteien wittern schon Klagen gegen das Gesetz

Ob dies so ohne Weiteres möglich ist, bezweifeln allerdings die anderen Parteien. Immerhin beißen sich solche Eingriffe ganz erheblich mit dem Grundrecht auf Vertragsfreiheit, dem Verfügungsrecht über das eigene Eigentum, dem Kapitalverkehrsfreiheitsgesetz und der Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU.

Das hält nicht nur Helmut Dammann-Tamke (CDU) den Grünen entgegen. Der Entwurf sei handwerklich schlecht gemacht und würde keiner Klage standhalten, sagt er. Es habe seinen Grund, warum sich auch andere Länder damit schwer tun.

Darüber, wie die Regierungskoalition diese Probleme zu lösen gedenkt, schweigt er. Angeblich befinde sich der Gesetz­entwurf aber in den letzten Zügen der Abstimmung und werde bald zur Verfügung stehen. Die Debatte darüber, an welchen Stellschrauben wie gedreht werden kann und muss, wird so lange im zuständigen Fachausschuss fortgesetzt.

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