Landesverband gegründet – schon wieder: Ein BSW ist Hamburg nicht genug
Nun gibt es auch einen abgesegneten Landesverband des Bündnis Sarah Wagenknecht in Hamburg. Für die Hamburg-Wahl wurden fast nur Männer aufgestellt.
Ihren Höhepunkt hatte die offizielle Gründungsversammlung, die um 8 Uhr morgens im Bürgersaal des Bezirks Hamburg-Wandsbek begann, am späten Nachmittag. Bijan Tavassoli hatte gerade eine kurze Rede gehalten und sich wieder hingesetzt. Eigentlich hatte der parteilose Ex-Linke Hausverbot, das Schatzmeister und Landeschef mit der Polizei durchsetzen wollten.
Aber da Dejan Lazic Tavassoli als Kandidaten für Platz 1 der Bürgerschaftsliste vorschlug, musste die Versammlungsleitung ihn reinlassen. Nach seiner Rede schickten sich Sicherheitskräfte an, ihn, mitsamt seinem Stuhl, raus zu tragen. „Mir geht es gerade nicht gut“, sagte Tavassoli. Die Männer ließen den Stuhl los. Die Liste mit 14 Kandidaten für die Bürgerschaftswahl wurde dann gekürt – auf den ersten sieben Plätzen: nur Männer.
Zum Vorsitzenden des Hamburger Landesverbandes wurde im nicht-öffentlichen Teil Konstantin von Eulenburg gewählt, Mitarbeiter der mit dem BSW-Aufbau in Hamburg beauftragten Bundestagsabgeordneten Zaklin Nastic, und des Mediziners Jochen Brack. Der 70-jährige Psychiater sagt, er sei „kein Politprofi“ und noch nie in einer Partei gewesen. Nun führt Brack die Kandidatenliste des BSW für die Hamburg-Wahl am 2. März an. Gewählt wurde er dafür mit 22 Ja-Stimmen der mit 28 Hamburger BSW-Mitgliedern überschaubaren Versammlung.
Überschaubare Versammlung
„Ich bin ein wenig überrascht, wie wenig Teilnehmer hier sind“, hatte Bijan Tavassoli in seiner Gegenkandidatur-Rede für Platz 1 gesagt. Auch dass bei der Kandidatenaufstellung zwei BSW-Mitglieder aus Nordrhein-Westfalen die Tagungsleitung inne hatten, irritierte Tavassoli. „Das darf nur von Leuten aus Hamburg geleitet werden.“ Zuvor hatte Dejan Lazic gefordert, die Öffentlichkeit, nicht nur die Presse, die zumindest eine Weile dabei sein durfte, zuzulassen. Es seien nicht mal die vielen hundert „Mitglieder im Aufnahmeverfahren“ eingeladen worden. Das Aufnahmeverfahren kann dauern, da beim BSW der Bundesvorstand entscheidet, wer in die Partei darf und wer nicht.
Einer von denen, die nicht eingeladen wurden, war Alexander Konstatinov, der viele Monate „BSW-Mitglied im Aufnahmeverfahren“ war. Er war am 15. Dezember dabei, als Lazic und sechs weitere BSW-Mitglieder ohne Absprache mit dem Bundesvorstand den Hamburger Landesverband gründeten. An einem Termin, zu dem der Vorstand ursprünglich geladen hatte, den der dann aber um eine Woche verschob, weil die Räume gekündigt wurden.
Doch Lazic & Co hatten alternative Räume gefunden, weshalb die Versammlung nach ihrer Einschätzung stattfinden konnte. Konstantinov wurde aufgenommen und zum Vorsitzenden des „Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit – Landesverband Hamburg“ gewählt, das laut Satzung im Namen den Zusatz „…der Bundespartei Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW)“ trägt.
Zwei Hausverbote erteilt
Konstatinov sei am Samstag gesagt worden „du kommst hier nicht rein“, er bekam Hausverbot erteilt. Da er aber nachmittags – wieder von Lazic – als zweiter Kandidat neben BSW-Mitglied Peter Wils (66) für Listenplatz 2 vorgeschlagen wurde, musste auch für Konstantinov das Hausverbot aufgehoben werden. Er sprach in seiner Rede über Demokratiedefizite in Parteien. „Jeder weiß, wie abgestimmt wird“, es gebe nur im Hinterzimmer abgesprochene Listen. Er unterlag in der Abstimmung, kandidierte für Platz 3 und sagte, von Lazic danach gefragt, Kritisches zur Migrationspolitik des BSW.
Politisch sieht die Berliner Parteiführung in diesen Aktionen nur Sperrfeuer. Parteisprecher Christian Posselt sagte zur Presse, er könne sich nicht vorstellen, dass der zuvor gegründete Hamburger Landesverband Bestand habe. „Aus unserer Sicht ist das rechtlich völlig eindeutig. Diese Gründung hat es nicht gegeben. Ist nicht rechtswirksam. Der einzige Hamburger Landesverband des BSW wurde gerade gegründet.“
Die Parteivorsitzende Amira Mohamed Ali beklagte in ihrer Rede, dass einige Medien Kampagnen gegen das BSW führen würden. „Wenn sich jemand beschwert oder Störfeuer macht, bekommen die sofort große Artikel“, so Ali. Dabei habe man hier in Hamburg tolle Kandidaten auf der Liste. Ihre Rede wurde mit „BSW! BSW!“-Rufen aus dem Publikum quittiert.
Ein bisschen padägogisch
Hamburgs Europa-Abgeordneter Fabio de Masi argumentierte ein wenig pädagogisch. „Der Aufbau von Parteien führt immer zu Reibereien und verletzten Eitelkeiten“, so de Masi. Eigentlich habe er sich vorgenommen, jene, die „so einen großen Tumult machen“, nach der Bundestagswahl auf ein Bier einzuladen. Doch nun frage er sich, „woher kommt dieser Drang, diese Partei zu zerstören“. Das BSW wolle Stadt und Land verändern und Menschen helfen, die ihre Miete nicht mehr zahlen können. „Leute, die einen solchen Klamauk veranstalten, spucken diesen Leuten ins Gesicht.“ Ähnlich drastische Worte fand die Hamburger BSW-Landesbeauftragte Zaklin Nastic, die von „Heuchlern“ sprach.
Christian Posselt, BSW-Sprecher
Anders als diese drei, die lange reden durften, gab man Kritiker Dejan Lazic unter dem Tagesordnungspunkt „Aussprache“ nur eine Minute Redezeit, bevor man das Mikro abdrehte. Er sagte, er freue sich, viele der anderen Mitglieder zum ersten Mal zu sehen. Der BSW habe ihn und seinen Mitstreiter Norbert Weber, der bei der Gründung des ersten Landesverbands dabei war, bisher ausgegrenzt. „Wir hatten nicht die Möglichkeit, bei Unterstützertreffen dabei zu sein, wir hatten nicht die Möglichkeit, bei Mitgliedertreffen dabei zu sein, wir wurden aus Chatgruppen ausgeschlossen von der Landesbeauftragten.“ Und nicht zuletzt sei die Verschiebung jener Versammlung vom 15. Dezember rechtswidrig gewesen, so Lazic.
Unterm Strich, so der Jurist, seien am Samstag auf der Versammlung in Wandsbek viele Formfehler gemacht worden, „da ist fraglich, ob die Liste anerkannt wird“. Etwa seien fristgemäß eingereichte Anträge von ihm nicht vorgelegt worden. Auch dass die Kandidatenaufstellung von externen geleitet und nur presseöffentlich war, sei angreifbar. „Allein schon der Polizeieinsatz, um Bejan rauszuhalten, war eine Beeinträchtigung der Wahl.“
Doppelung der Verbände könnte Problem werden
Die Liste zur Bürgerschaftswahl muss bis zum 24. Dezember abgegeben werden, am 30. Dezember entscheidet der Landeswahlausschuss, welche Parteien zur Hamburg-Wahl zugelassen werden. Der zuerst gegründete Landesverband hatte bereits vor einer Woche einen Kandidaten für die Bundestagswahl angemeldet: Bijan Tavassoli. So eine Kandidatenkür hat der nun gegründete BSW-Landesverband im Januar noch vor sich. Denkbar ist, dass bereits bei der Bürgerschaftswahl-Anmeldung die Doppelung der Verbände problematisch werden könnte.
Das Hamburger Abendblatt schrieb mit Berufung auf den Landeswahlleiter, dass der von Lazic gegründete Verband „vermutlich rechtlich keinen Bestand“ habe. Die Frankfurter Rundschau zitierte die Parteienrechtlerin Heike Mertens mit der Einschätzung: Sollten zur Bundestagswahl zwei konkurrierende Listen einer Partei vorliegen, werde wahrscheinlich keine zugelassen, so wie bei den Grünen im Saarland 2021.
taz Salon: Hamburg wählt – nur wen? 14. 1. 2025, 19.30 Uhr, Haus 73 (Saal, 2. OG), Schulterblatt 73, Hamburg. Anmeldungen auf taz.de/salon. Dort wird auch der Livestream zu finden sein
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