Landesparteitag der CDU: Wegner gibt den Cowboy

Parteichef Kai Wegner schießt nach dem Mietendeckel-Aus gegen Rot-rot-grün. Die Landesliste für die Bundestagswahl wird zur Hälfte mit Frauen besetzt.

Kai Wegner (CDU) will im Herbst Regierender Bürgermeister werden Foto: picture alliance/dpa | Christoph Soeder

BERLIN taz | Das Timing meint es gut mit CDU-Landeschef Kai Wegner, der im Herbst Regierender Bürgernmeister werden will. Der Parteitag, bei dem er nun gleich massiv gegen die Grünen ausholen wird, ist zwar schon länger geplant. Nun aber kommt er bloß zwei Tage nach dem von der CDU so sehr begrüßten Aus für den rot-rot-grünen Mietendeckel. Und Wegners zu Wochenbeginn noch von manchen belächelte Unterstützung für Markus Söder bei der Kanzlerkandidatur scheint an der CDU-Basis inzwischen Mehrheitsmeinung. Mit solcher Bestätigung holt man dann gern um so fester gegen die Konkurrenz aus – und das sind für Wegner vor allem die Grünen, für ihn „eine zweite Linkspartei“.

Man müsse bloß mal ins Wahlprogramm der Grünen schauen – auf jeder Seite würden einen da Ideologie, Bevormundung und Verbote anspringen. „Und sie wollen uns vorschreiben, wie wir zu sprechen haben“, fügt Wegner hinzu. Da werde die CDU gegenhalten: „Darauf gebe ich Ihnen mein Indianerehrenwort“, sagt er – vor vier Wochen hatte Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch eine Debatte auselöst, als sie sich bei einem Parteitag von dem zuvor von ihr verwandten begriff „Indianerhäuptling“ distanzierte. Die Grünen schnitten zudem die entsprechende Passage aus einem Youtube-Mitschnitt des Parteitags.

Der Parteichef fordert zudem, die Olympischen Spiele 2036 nach Berlin zu holen. Der Zeitpunkt sei mit Blick auf die Spiele ein Jahrhundert zuvor genau richtig: Berlin könnte sich weltoffen und international präsentieren, „um die Nazi-Spiele von 1936 in den Schatten zu stellen“. Für eine gute Idee hielte er geteilte Spiele mit Jerusalem oder Tel Aviv.

Nach dieser Forderung geht es beim CDU-Parteitag in digitaler Variante um die Kandidatenliste für die Bundestagswahl. Die ist von Bedeutung, wenn einer Partei über die Zweitstimme mehr Sitze zustehen, als sie Wahlkreise gewinnt. Wegner hebt dabei besonders die flugs als Ersatzfrau akquirierte Eisschnelllauf-Ikone Claudia Pechstein hervor. Sie tritt im Wahlkreis Treptow-Köpenick an, nachdem sich dort der vorgesehene Kandidat wegen Nähe zu einem Maskengeschäft zurückgezogen hat.

Der Landesvorstand empfiehlt sie aber auch für Platz 6 der Landesliste – einen Platz vor der langjährigen Bezirks- und Bundespolitikerin Christina Schwarzer aus Neukölln. Nicht auf der Liste, die zehn Namen umfasst: der erste schwarze Direktkandidat der Berliner CDU, Joe Chiallo, der in Spandau antritt. „Er wollte nicht auf die Liste“, heißt es auf taz-Anfrage von einem Parteitsprecher.

Mario Czaja scheitert mit Comeback

Die meiste Konkurrenz gibt es für Listenplatz 4. Der Landesvorstand hat einstimmig Ex-Justizsenator Thomas Heilmann empfohlen, der mutmaßlich ohnehin über seinen erfolgsversprechenden Zehlendorfer Wahlkreis im Bundestag bleibt. Gleich drei andere aber beanspruchten den Platz ebenfalls, darunter eine langjährige Pankower Bezirkspolitikerin, ein früherer Bundestagsabgeordnete – und Mario Czaja, der zusammen mit Heilmann bis 2016 als Gesundheitssenator in einer rot-schwarzen Landesregierung saß. Czaja wirbt damit, ein vorderer Platz für ihn wäre ein wichtiges Zeichen für seinen Direktwahlkampf in Marzahn-Hellersdorf, wo bislang die Linkspartei dominiert.

Dem mag die Partei nicht folgen: Knapp ein halbes Dutzend namhafter CDUler wendet sich mit Redebeiträgen gegen seine Kandidatur. Der Kreischef und Bürgermeister von Reinickendorf, Frank Balzer, wirft ihm sogar vor sogar, Czaja habe „zum wiederholten Male im Vorfeld von Parteitagen versucht, Druck über die Medien aufzubauen.“ Nur 37 von rund 230 Delegierten stimmen schließlich für den Exsenator, der damit nur das drittbeste Ergebnis weit hinter Heilmann mit 144 Stimmen bekommt.

Überraschenderweise hat auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters auf Listenplatz 1 einen Gegenkandidaten – und der schneidet dabei alles andere als schlecht ab: Kevin Kratzsch, Vizebundeschefs des Bundesverbands der Schausteller und mutmaßlich chancenloser CDU-Direktkandidat in Friedrichshain-Kreuzberg, drängt darauf, gerade jemanden aus seinem Bezirk in den Bundestag zu schicken. Fast 30 Prozent der Delegierten kann er, in der CDU bisher ein Nobody, damit hinter sich bringen. Grütters, die Spitzenkandidatin der vergangenen vier Bundestagswahlen, setzt sich zwar durch, muss sich aber mit 69 Prozent begnügen.

So stehen schließlich fünf Frauen auf den zehn Listenplätzen, und auch auf den aussichtsreichen ersten sechs Plätzen gibt es einen 50-Prozent-Anteil, was sich Parteichef Wegner zugute schreibt. Zwischen Grütters und Pechstein rangiert dabei auf Platz 3 die 37-jährige Mitgliederbeauftrage Ottilie Klein, die sich als Kind von Russlanddeutschen vorstellt. Ex-Olympiasiegerin Pechstein, die noch im Februar ankündigte, auch bei den Olympischen Spielen Anfang 2022 starten zu wollen, war erst eineinhalb Stunden nach Parteitagsbeginn eingetroffen – „sie hatte Training“, entschuldigte die Parteiführung sie.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.