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Land gewinnen

Wüste beleben Die ägyptische Sekem-Initiative hat 700 Hektar Wüste in fruchtbare Oasen verwandelt – mit biodynamischer Landwirtschaft. In die Begegnungsstätte auf der Farm kommen heute Experten aus aller Welt, um sich zu informieren

von Katja-Barbara Heine

Die Wüste wächst. Jede Sekunde stirbt auf der Welt ein Stück Land in der Größe eines halben Fußballfeldes durch Übervölkerung, Überweidung oder Klimawandel. Pflanzen und Wasser verschwinden, der Boden verödet. Zu den stark betroffenen Regionen zählt Ägypten: Mehr als 90 Prozent sind unfruchtbare Wüste, das Land muss 40 Prozent seiner Lebensmittel importieren.

Auf der Sekem-Farm, 55 Kilometer nordöstlich von Kairo, merkt man davon wenig: Kühe und Schafe grasen im Schatten der Dattelpalmen. Auf Feldern wachsen Baumwolle, Tomaten, Bohnen oder Kamille. Noch vor 40 Jahren war hier nichts als Sand. Damals kaufte der Pharmazeut Ibrahim Abouleish, der lange in Österreich gelebt hatte, 70 Hektar Wüstenboden und begann ihn mit Demeter-Methoden zu beackern.

Heute erstreckt sich das Reich des ägyptischen Bio-Pioniers über fast 700 Hektar. Rund um den Betrieb haben sich 30.000 Menschen angesiedelt, es gibt Schulen, ein Krankenhaus und eine Universität, die sich an den Lehren Rudolf Steiners orientieren. Außerdem bewirtschaften 800 Vertragsökobauern weitere 1.700 Hektar Land in ganz Ägypten.

Sekem ist ein Beispiel für erfolgreiche Landgewinnung in der Wüste durch biodynamischen Anbau. „Das zeigt, dass sich die Methode auch für schwierige Böden, etwa Wüste, gut eignet“, sagt Demeter-Vorstand Alexander Gerber. „Grundlage ist die Humuswirtschaft, bei der Kompost in den Wüstenboden eingearbeitet wird. Dadurch kann dieser Feuchtigkeit besser speichern. Die Folge: Er kommt mit 20 bis 40 Prozent weniger Wasser aus als herkömmlich bewirtschaftete Böden. Das ist wichtig in einem Land, das unter extremer Wasserknappheit leidet.“

Eine intelligente Fruchtfolge sorgt anschließend dafür, dass der Boden genährt und nicht ausgelaugt wird: Auf Pflanzen, die viel Stickstoff verbrauchen, folgen Sorten, die Stickstoff anreichern. Ein weiterer Vorteil des Komposts: Er bindet Kohlendioxid. „Kompost macht nicht nur Böden lebendig, sondern schützt auch das Klima“, erklärt Helmy Abouleish, Sohn des Gründers und Sekem-Geschäftsführer. „Auf unserer Farm wurden seit der Entstehung Millionen Tonnen CO2 gebunden“.

Sekem war ein Experiment: „Als mein Vater 1977 aus Österreich in seine Heimat zurückkehrte, hatte er eine Vision, aber keine Erfahrung als Landwirt“, so Helmy Abouleish. „Alle rieten ihm ab, sprachen von einer Mission Impossible.“ Doch der Plan ging tatsächlich auf – die Wüste lebt! Vor zwei Jahren wurde Sekem sogar von der Konferenz der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung mit dem „Land For Life“-Award ausgezeichnet. „Uns geht es nicht nur darum, Kartoffeln zu verkaufen“, erklärt Helmy Abouleish. „Wir haben vor allem eine nachhaltige Gemeinschaft geschaffen, in der Menschen zusammen leben, arbeiten und lernen.“

Die Ernte wandert ins Dattelkonfekt von Davert oder in die Teebeutel von Sonnentor und Lebensbaum. Rapunzel kauft Hülsenfrüchte, Alnatura und die Drogeriekette dm Bio-Babykleidung. Europäische Unternehmen unterstützten Sekem in der kritischen Anfangsphase und sind heute noch wichtige Partner. Doch knapp 80 Prozent der Produkte werden mittlerweile in Ägypten verkauft, darunter Tee, Wasser, Gemüse. Bio erobert auch hier langsam die Supermarktregale.

Eine Studie, die Sekem kürzlich für das Landwirtschaftsministerium durchführte, zeigt, dass ökologischer Anbau günstiger ist als konventioneller, wenn man Ausgaben für beispielsweise die Verschmutzung von Boden, Luft und Wasser mit einkalkuliert, die früher oder später anfallen. „Wäre die Studie für biodynamische Landwirtschaft durchgeführt worden, hätte sie vermutlich noch etwas bessere Ergebnisse erzielt“, so Helmy Abouleish. Doch der ganzheitliche Ansatz, der etwa auch kosmisch-planetarische Kräfte berücksichtigt, sei ägyptischen Behörden schwieriger zu vermitteln als „normale“ Bio-Landwirtschaft.

Das hält auch Jürgen Heß, Fachgebietsleiter für Öko-Landbau an der Universität Kassel, für eine der größten Hürden: „Biodynamischer Landbau ist eine nachhaltige und ressourcenschonende Methode der Wüstenbegrünung“, so Heß. „Doch es kommen Komponenten hinzu, die nicht wissenschaftlich begründbar sind. Wenn Pflanzen zum Beispiel mit präpariertem Quarz besprüht werden, tun das viele als Hokuspokus ab. Demeter-Anbau findet häufig nicht genug Unterstützung in der Politik.“

Zudem ist biodynamischer Landbau komplex und aufwendig. Ein Demeter-Betrieb muss eine Mindestanzahl an Tieren halten und bestimmte Präparate einsetzen. Und: „Es braucht Zeit, bis Arbeit fruchtet“, sagt Helmy Abouleish. Alexander Gerber von Demeter ist dennoch zuversichtlich: „Da sich die Anbaumethode für alle Böden eignet, hat sie großes Potenzial. Es bedarf jedoch immer einer Initialzündung und unternehmerischer Initiative. Und einer Vision.“

Einer Vision, wie Ibrahim Abouleish sie hatte. In die Begegnungsstätte auf seiner Farm kommen heute Experten aus aller Welt, um sich zu informieren und inspirieren zu lassen. Noch ist die Seken-Initiative einzigartig in ihrer Größe und Bedeutung. Doch immer mehr Landwirte in Indien, Afrika oder Argentinien interessieren sich für die Anbaumethode, die offenbar die Wüste besiegen kann.

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