Lance Armstrong und Alberto Contador: Rivalen der Tour de France
Bei der Tour de France ist die Rivalität zwischen Lance Armstrong und Alberto Contador offensichtlich. Die Verwerfungen im Astana-Team sind beeindruckender als die Pyrenäen.
Einst haben sie sich geschätzt. Alberto Contador hat die Armstrongbiografie verschlungen und aus ihr die Kraft geschöpft, nach seiner Schädeloperation im Jahre 2004 als neuer Radgott in den Profizirkus zurückzukommen. Lance Armstrong seinerseits hat am Expatienten Contador dessen Willenskraft und Talent bewundert und ihn zu seinem letzten legitimen Nachfolger erklärt. Die Sympathie aus der Ferne ist in Feindschaft umgeschlagen, seitdem die beiden die gleichen Klamotten tragen und sich täglich am Frühstückstisch begegnen. Ob sie sich noch gegenseitig das Müsli gönnen, bleibt gut gehütetes Geheimnis des Teams Astana. Auf den Straßen der Tour de France ist die Rivalität aber offensichtlich.
In der Camargue hat Lance Armstrong sich mit Hilfe eines Teils der Mannschaft vor seinen Kapitän Contador katapultiert. Ein paar Tage später hat Contador die Taktikabsprachen im Team durchkreuzt und dank einer Attacke in Andorra den Amerikaner wieder distanziert. "Ich will die Tour de France gewinnen. Lance will sie auch gewinnen. Da gibt es ein Problem: Nur einer von uns beiden kann dies schaffen", bringt Contador die Konfliktsituation schlüssig auf den Punkt.
Was sich seit Armstrongs Comeback angedeutet hat, bricht bei der Mutter aller Radrundfahrten ganz offen aus. Weil der siebenfache Tour-Gewinner Lance Armstrong und der Grand-Slam-Crack Contador (Siege in Frankreich, Spanien und Italien) das gleiche gelbe Hemdchen anziehen wollen und die Edition Amaury für den Podiumsauftritt auf den Champs Élysées nur Einzelexemplare fertigt, bekämpfen sie sich mit allen Mitteln. Das ging schon bei der Mannschaftsaufstellung los. Contador sorgte dafür, dass Armstrongs Helfer Chris Horner ausgebootet wurde, was Horner zu wütenden Blogs trieb.
Contador muss aber seinerseits auf die Hilfe seines alten Zimmergefährten Benjamin Noval verzichten, der wiederum in spanischen Medien über seine Nichtberücksichtigung schimpfte. "Wir wollten eine Clanbildung verhindern", lautet die offizielle Erklärung bei Astana. Ein besseres Mittel zur Verhinderung der Fraktionsbildung wäre wohl gewesen, einen der beiden Streithähne ganz zu Hause zu lassen oder ihm zumindest ganz klar die Helferrolle zuzuweisen. Bernard Hinault, ein alter Hase in Streitfragen, meint dies zumindest. "Man muss so etwas im Team klären und nicht öffentlich austragen." 1985 hatte er das noch etwas anders gehandhabt. Da hatte der aufstrebende Greg LeMond seinem nominellen Kapitän Hinault einen harten Kampf um den Toursieg geliefert. Hinault, nach fünf Toursiegen und einer Karriere im Management von ASO milde gestimmt, erinnert sich, dass man die Sache damals diskursiv gelöst habe. "Wir haben das besprochen. 1985 habe ich gewonnen. Ein Jahr später habe ich LeMond beim Sieg geholfen." Für Astana ist solch salomonische Lösung nicht möglich. Es ist unwahrscheinlich, dass Armstrong in der nächsten Saison erneut so stark sein könnte - und sich dann mit der Rolle des Senior Adviser zufriedengeben würde.
"Als sein Imageberater würde ich ihm empfehlen, seine menschlichen Qualitäten herauszustellen und Contador beim Sieg zu helfen", meint die Korrespondentin der International Herald Tribune. Aber Armstrong erweist sich als beratungsresistent. Die Verwerfungen im Mannschaftsgefüge von Astana sind momentan beeindruckender als die tektonischen Schichtungen des Gebirgszugs der Pyrenäen.
TOM MUSTROPH
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