Laibach mit neuem Album: Im musikalischen Schlachtengemälde

Ganz zart klingen die slowenischen Industrialpioniere Laibach auf dem Album „Spectre“. Eine neues Buch nimmt die Gruppe zum Tourstart unter die Lupe.

Mehr Mythos als Verstörungspotential: Mina Spiler und Milan Fras vom Musikkollektiv Laibach Bild: Mathias Schwarz/promo

Das geht ja flott los, mit einem munteren Pfeifen. Als ob man gleich mit dem ersten Titel des neuen Laibach-Albums in einen musikalischen Wandertag hineingeraten wäre. Raus aufs Land. Klingt fast nach Country, fröhlich wird die Trommel geschlagen, heißa. Wirklich hübsch. „The Whistleblowers“ nennt sich das Lied.

Und das sollen jetzt Laibach sein, die slowenischen Stiefelrocker, zuletzt mit dem Soundtrack zu der Naziklamotte „Iron Sky“ auffällig geworden? Es ist nun nicht wirklich so, dass man tatsächlich darauf gewartet hätte, sich die Welt mal so richtig von Laibach erklären zu lassen. Selbst wenn man bei den Propagandaabteilungen pflichtgemäß dieser Auffassung ist.

Erstmals, heißt es in der Pressemitteilung der Plattenfirma, soll es bei Laibach politisch auf den Punkt zugehen und nicht mehr im Nebel der Zweideutigkeiten gestochert werden. Nichts weniger als der „Übergang vom Abstrakten zum Konkreten“ ist mit dem neuen Album „Spectre“ versprochen.

Doch natürlich handelt es sich nur wieder um eine Desinformationskampagne, möchte man nicht gleich so arglose Liedzeilen wie „If you wanna change the world / You’d better do it with a thrill“, wie es Laibach in „Americana“ singen, als Handlungsanweisung verstehen.

Laibach: „Spectre“ (Mute), Tournee: 14. 3. Köln, 15. 3. Schorndorf, 16. 3. München, 4. 4. Frankfurt am Main, 5. 4. Dresden, 7. 4. Berlin, 8. 4. Hamburg, 15. 4. Wien

Alexei Monroe: „Laibach und NSK. Die Inquisitionsmaschine im Kreuzverhör“. Ventil Verlag, 344 Seiten, 24,90 Euro

Das wäre nun auch ein echter Witz. Laibach, die Meister der doppelzüngigen Paradoxie und der semiotischen Verwirrspiele, auf Eindeutigkeiten festnageln zu wollen.

Die Band, die mal mit einem sybillinischen „wir sind genauso Faschisten, wie Hitler ein Maler war“ den Faschismusvorwurf konterte, der Laibach die ersten Jahre treu begleitete. Allein schon der Name: mit dem deutschen Namen für Ljubljana machte die Band 1980 im ehemaligen Jugoslawien gleich mal eine Krawallansage.

Soundtrack der „bewaffneten Invasion“

So denkt man bei „The Whistleblowers“, wie es einem der Titel vorschreibt, natürlich erst mal an eine Würdigung der Snowdens dieser Welt, um zum Schluss des Liedes mit seiner unerbittlichen Trommel doch in einem musikalischen Schlachtengemälde zu landen, das Laibachs Musik zu eben dem großartigen Soundtrack macht „für eine bewaffnete Invasion in ein kleines, neutrales Land“, wie ein Kritiker das auch wieder für „Spectre“ beschrieb. Ist alles da: der Discorock-Krawumm mit dräuenden Chören und Horngeschmetter.

Die Rhythmen peitschen, die Musik zuckt. Die Fanfaren, die Pauken, der Pomp. Schwulst und Härte. Halt der klassische Stiefelschritt Laibachs. Nur dass dabei der Sängerin Mina Spiler reichlich Raum gegönnt wird auf „Spectre“ und Milan Fras mit seiner Feldherrenstimme mal etwas milder grummelt.

Überhaupt hat man den Laibach’schen Stahlgewitterrock schon forscher gehört. Träge klingt es manchmal auf „Spectre“, an sich selbst ermüdet. Ein Dienst nach den Vorschriften, die man sich mal gemacht hat.

Laibach: eigentlich ein Mythos

Wie Kraftwerk sind Laibach, die Industrialpioniere und Musikstrategen mit Kunsthintergrund, eigentlich ein Mythos. Gelegentlich noch praktizierend, dabei vor allem auf sich selbst und seine Geschichtlichkeit schauend. Das einstige Verstörungspotenzial ist aufgerieben, man hat es von der Aufregerband aus Jugoslawien zu einem der prominentesten Kulturexporte Sloweniens geschafft.

Längst abgeschlossen ist der Prozess der eigenen Kunstwerdung, die man auch noch mal detailliert in dem jetzt auf Deutsch erscheinenden Buch des Kulturtheoretikers Alexei Monroe nachlesen kann, „Laibach und NSK. Die Inquisitionsmaschine im Kreuzverhör“, das entschieden eine wissenschaftliche Erkundung des Phänomens Laibach sein will.

Alexei Monroe: "Laibach und NSK"

Letztlich wird deren Arbeit dabei als „eine Art von mystifizierender Demystifikation durch eine Art (re-)konstruktiver Dekonstruktion“ erklärt. Tja. Irgendwie Aufklärung mit antiaufklärerischen Mitteln.

Die Ergründung der Beziehung zwischen Kunst und Ideologie sei das Leitthema Laibachs, „einschließlich der gesellschaftlichen Medien ’Nation‘ und ’Staat‘“, schreibt Monroe. Und das geht auch ein paar Nummern kleiner, nicht Nation, nicht Staat und nicht die „Whistleblowers“, sondern direkt beim Konsumenten angesetzt, der letztlich doch auch so ein „gesellschaftliches Medium“ ist mit seinen Hörgewohnheiten, die er mit „Spectre“ noch einmal selbst hinterfragen darf.

„Spectre“, eine neuerliche musikalische Versuchsanordnung, wie viel an Reichsparteitagsstimmung, Wagnerpomp und Überwältigungsgestik es denn bitte schön noch sein darf.

Eine echte Aufgabe könnten sich Laibach aber schon mal wieder stellen. Schön und schlüssig wäre ein Album der Recyclingspezialisten mit Coverversionen von Rammstein (die alles von Laibach gelernt haben). Um auch diesen Regelkreis mal zu schließen.

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