Lagebericht zu „Clankriminalität 2020“: Verstoß gegen Corona-Auflagen
Innensenator Andreas Geisel (SPD) legt Lagebericht zu „Clankriminalität“ vor. Schwerpunkte sind Verkehrsdelikte und Verstöße gegen Infektionsschutz.
BERLIN taz | Die Berliner Polizei ordnet dem Bereich der so genannten Clankriminalität derzeit 388 Menschen zu. Das ist eine Erkenntnis aus dem „Lagebild Clankriminalität 2020“, die Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Montag vorstellte. Insgesamt wurden im vorigen Jahr rund 1.000 Straftaten durch 291 Tatverdächtige, die der „Clankriminalität“ zugeordnet wurden, begangen. Schwerpunkte waren Delikte in den Bereichen Verkehr, Betäubungsmittel, Gewalt- und Eigentumskriminalität. Es gab 240 polizeiliche Kontrolleinsätze, davon 71 im Verbund mit anderen Behörden, etwa Zoll oder Gesundheitsämter, in deren Verlauf 525 Objekte kontrolliert und 85 geschlossen wurden.
Der Begriff „Clankriminalität“ ist hoch umstritten. Polizeibehörden bundesweit nutzen ihn seit den 90er Jahren, um damit Straftaten von Menschen aus bestimmten arabischen „Großfamilien“ zusammenzufassen, die sich zu mafiaähnlichen Strukturen zusammengeschlossen haben (sollen). Politisch hat der Kampf gegen „Clankriminalität“ seit einigen Jahren Konjunktur: Fast wöchentlich gibt es in Berlin medial begleitete Razzien gegen Geschäfte, etwa Shishabars, die als Treffpunkte oder Geldwaschanlagen gelten.
Kritiker werfen unter anderem ein, dass sowohl der Begriff als auch solche Razzien offenkundig wenig Erfolge gegen organisierte Kriminalität (OK) zeitigen, aber Vorurteile gegenüber Menschen arabischer Herkunft verfestigen. Zudem wird kritisiert, dass die Zuordnung von Menschen zu „Clans“ im Widerspruch zum individuellen Strafrechtsprinzip stehe. Geisel wies dies erneut zurück: „Wir nehmen niemanden in Sippenhaft, nur weil er oder sie Mitglied einer bestimmten Familie ist. Wir gehen gegen Kriminelle vor, nicht gegen Familien.“
Auffällig ist jedoch, dass in den Berichten zu Clankriminalität nicht nur von Straftaten, sondern auch von „Regelverstößen“ oder „Dominanzgebaren“ die Rede ist – was strafrechtlich keine Rolle spielt. So sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik 2019 bei der Vorstellung des „Lagebilds Organisierte Kriminalität Berlin 2018“, in dem erstmals Clankriminalität auftauchte: Einige Angehörige von Clan-Familien seien „im Bereich OK“ unterwegs, andere „parken in der zweiten Reihe, tragen Rolex“. Solche Äußerungen geben der Kritik, es gehe bei „Clankriminalität“ weniger um Kriminalitätsbekämpfung als um herbeifantasierte Kulturkämpfe, neue Nahrung.
Auch der neue Bericht wirft Fragen auf. So zählt er 12,6 Prozent der Delikte als „Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz“. Inwiefern das eine Spezialität der Clans ist, verrät der Bericht nicht.
Leser*innenkommentare
Sonntagssegler
Ich finde es zum Kotzen, wenn ich von Leuten überfallen werde, die keine Maske tragen.
17900 (Profil gelöscht)
Gast
Was spricht eigentlich gegen die "Nulltoleranzstrategie" (broken window policy) für Berlin?
Rudi Guliane war damit seinerzeit in New York äußerst erfolgreich!
13566 (Profil gelöscht)
Gast
@17900 (Profil gelöscht) Grüne, Linke und SPD sprechen dagegen.
Die CDU wäre unfähig es umzusetzen, selbst wenn sie es wollte.
Aus undefinierbaren Gründen, scheint der/die "gemeine Berliner KommunalpolitikerIn" seit Jahrzehnten ein spezielles politisches Gewächs zu sein.