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Längere Speicherfrist von Videomaterial96 Stunden Überwachung in Berlin

Der Berliner Senat möchte zukünftig Videomaterial der BVG doppelt so lange wie bisher speichern. Rechtliche Fragen bleiben offen.

BVG is watching you, und das bald vielleicht für 96 statt wie bisher 48 Stunden Foto: imago

Berlin taz | Der Senat hält an seinem Vorhaben fest, das Videomaterial der BVG länger zu speichern als bisher. Das geht aus einer Anfrage der Abgeordneten Klaus Lederer (ehemals Linke) und Niklas Schrader (Linke) hervor. Konkret soll die Speicherfrist von aktuell 48 auf 96 Stunden verlängert werden. Doch die Rechtsgrundlage dafür ist unklar, kritisieren die Abgeordneten.

Bei Straftaten und Unfällen sollen die Aufnahmen bei der Beweissicherung helfen. Obwohl die Speicherung und Auswertung der Aufnahmen strengen Datenschutzregeln unterliegt, äußert Klaus Lederer Zweifel. Durch die Einführung allgemeiner Videoüberwachung seien Menschen nicht vor Gewalt geschützt. „Bislang ist die Wirksamkeit und Effektivität der Videoüberwachung im ÖPNV nicht unabhängig evaluiert“, sagt Lederer. Über den entscheidenden Zusammenhang zwischen Anzeigeverhalten, dem Zeitpunkt der Anzeigen und realen Strafverfolgungsergebnissen einerseits und der Dauer der Speicherfrist andererseits scheine der Senat nichts Belastbares sagen zu können.

Wirksamkeit unklar

Aus der Anfrage ginge auch hervor, dass die sachliche Begründung des Senats für eine Verlängerung auf dünner Basis stehe, sagt Lederer. Da eine Verlängerung ein Eingriff in die Grundrechte darstellt, müsse diese gut legitimiert sein.

Derweil hofft der Senat, mit einer Kampagne, die Verwertbarkeit der Aufnahmen zu verbessern. „Dir bleiben nur 48 Stunden, Schlaf keine Nacht darüber“ so lautet die Botschaft der Kampagne, welche sich gezielt an queere Menschen richtet. Der Senat finanziert diese mit Restmitteln aus dem vergangenen Haushaltsjahr.

Die Kampagne war eine Empfehlung des runden Tisches „Schutz vor queerfeindlicher Hasskriminalität“ als eine Maßnahme, das Sicherheitsgefühl von queeren Menschen zu stärken.

Mit der Kampagne soll auf das kurze Zeitfenster aufmerksam gemacht werden, da die Erfahrung zeige, dass viele Menschen die Gewalt erst nach mehreren Tagen zur Anzeige bringen, heißt es in einer Anfrage.

Vorwurf der Symbolpolitik

Lederer sieht die Kampagne als „Symbolpolitik“. Ihm scheint es, als ob der Senat mit den realen Ängsten von queeren Menschen bewusst spiele, um weitere Grundrechtseinschränkungen vorzunehmen.

Statt auf den rechtlich fragwürdigen Ausbau der Videoüberwachung solle sich der Senat mehr auf Präventionsarbeit fokussieren. „Wir wissen, was im präventiven Bereich getan werden müsste. Wir wissen auch, dass die Polizei den Weg weitergehen muss, ihre Strategien und Strukturen mit Blick auf den Schutz queerer Menschen auszurichten.“ sagt der ehemalige Kultursenator.

Ein Beispiel, bei dem ein längeres Zeitfenster für die Sicherung des Videomaterials auch sinnvoll sein kann, ist der Fall von Zefanias M. Er wurde Ende 2019 von Po­li­zei­be­am­t:in­nen über neun Minuten lang in einer Kniefixierung im U-Bahnhof Herrmannstraße gehalten.

Auf Hinweis eines Freundes, der bei der Polizei arbeitet, beantragte M. die Sicherung der Filmbänder bei der BVG, da er sonst keine Möglichkeit hätte, gerichtlich gegen die Po­li­zis­t:in­nen vorzugehen. Die Videobänder bilden einen zentralen Teil im Gerichtsprozess, den Zefanias M. gegen das Land Berlin eröffnet hat.

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2 Kommentare

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  • Neben der längeren Speicherdauer, die mir sehr sinnvoll erscheint, sollte endlich auch der Umstand, dass zwischen Tat und Öffentlichkeitsfahndung oft Monate liegen, beseitigt werden.

    Was soll so schlimm daran sein, binnen Stunden nach einer Anzeige mit Bildmaterial nach Tätern zu fahnden? Wieso müssen erst alle anderen Möglichkeiten er Polizei ausgeschöpft worden sein? Absolut niemand versteht das.

    Tat - Anzeige - Öffentlichkeitsfahndung: idealerweise binnen 24 Stunden. Was soll denn bitte Schlimmes passieren, und gibt es Beispiele dafür aus Ländern, bei denen Videoüberwachung viel gängiger ist (UK z.B.)? Und sollte es einige Nachteile geben: wiegen die so schwer, dass sie die Vorteile überwiegen?

  • Wer kann ernsthaft ein Problem damit haben, dass Videoaufnahmen von Bahnhöfen/Bahnen etwas länger gespeichert werden? Damit man auch nach 3-4 Tagen mögliche Täter auf den Videos entdecken kann, nachdem eine Anzeige eingegangen ist.