Länderfusion Berlin-Brandenburg: Der endgültige Mauerfall
Brandenburg steht kurz vor der Kenia-Koalition – und die Berliner Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek fordert einen neuen Anlauf zur Fusion beider Länder.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, drängt auf einen neuen Anlauf, die Länder Berlin und Brandenburg zu verschmelzen. „Eigentlich müssen wir über eine Länderfusion reden“, sagte Kapek der taz mit Blick auf einen gemeinsamen Parlamentsausschuss, den die mutmaßliche künftige rot-schwarz-grüne Regierung in Brandenburg anstrebt. Frühere Versuche waren in einem Volksentscheid gescheitert oder mangels Erfolgsaussichten abgesagt worden.
Über den vor zwei Wochen ausverhandelten Koalitionsvertrag können ihre fast 2.000 Brandenburger Parteifreunde seit Dienstag und noch bis zum 16. November abstimmen. An diesem Samstag will die Grünen-Spitze bei einem Landesparteitag in Bernau nochmals für Zustimmung werben. Die Brandenburger Grünen hatten bei der Landtagswahl am 1. September für das erste zweistellige Ergebnis ihrer Partei in einem Ostbundesland gesorgt. Trotzdem schnitt die SPD mit über 26 Prozent gut zweieinhalbmal so stark ab und besetzt fünf Ministerien – drei gehen an die CDU.
Kapeks Ruf nach einer Länderfusion fußt auf einem Satz im rot-schwarz-grünen Koalitionsvertrag, der noch von den Parteichefs zu unterschreiben ist. Darin steht auf der sechsten von 84 Seiten: „Die Koalition strebt die Bildung eines gemeinsamen Ausschusses von Abgeordnetenhaus und Landtag an.“
Die Fraktionschefin hält das für eine gute Idee – aber nicht in Form eines regulären Parlamentsausschusses, sondern als Gremium der Fraktionsvorsitzenden. Das soll sicherstellen, dass sich dort auch Dinge fest vereinbaren lassen. Eine Länderfusion hält Kapek gerade mit Blick auf die Themen Wohnungsbau und Verkehr für drängend.
Brandenburgern die Angst nehmen
Dass derzeit keine entsprechende Stimmung in der Bevölkerung beider Länder zu spüren ist, sieht die Grüne nicht als Hindernis: „Deshalb muss man ja gerade darüber reden, um mehr Akzeptanz dafür zu bekommen.“ Aus Kapeks Sicht hat sich die Situation gegenüber früheren gescheiterten Anläufen deutlich geändert: „Ich glaube, dass die Brandenburger immer Angst vor den großen Schulden Berlins hatten.“ Man könne ihnen nun, nach milliardenschwerer Tilgung, „die Angst nehmen, dass Berlin sie mit seinem Schuldenberg erdrücken würde“.
Berlin hat seit 2012 sowohl unter der rot-schwarzen Vorgängerregierung als auch unter Rot-Rot-Grün über 5 Milliarden Euro getilgt. Dennoch ist das Land immer noch mit über 57 Milliarden Euro verschuldet.
Kapek äußerte sich wie Berlins Grünen-Parteichefin Nina Stahr und der Pankower Abgeordnete Andreas Otto auf taz-Anfrage grundsätzlich lobend über das, was ihre Brandenburger Parteifreunde aus den Verhandlungen mit SPD und CDU herausgeholt haben. Die grüne Regierungsbeteiligung sei „ein ganz nötiges ökologisches und liberales Korrektiv“, sagte Kapek. „Rot-Rot-Grün hätte ich natürlich besser gefunden – es hätte die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg erleichtert, wenn wir dieselbe Regierungszusammensetzung hätten.“
Eine rot-rot-grüne Koalition war zwar rechnerisch genauso möglich wie das rot-schwarz-grüne Kenia-Bündnis, scheiterte jedoch vor allem am Widerstand von Brandenburgs SPD-Chef und Ministerpräsident Dietmar Woidke.
„Grüne Handschrift“ im Koalitionsvertrag
Parteichefin Stahr sagte, der Koalitionsvertrag trage „nicht nur, aber an einigen Stellen sehr deutlich die grüne Handschrift“. Als Beispiel nannte sie den Verzicht auf neue Braunkohle-Tagebaue.
Der Pankower Abgeordnete Otto hätte sich bloß noch gewünscht, dass die Grünen in der künftigen Regierung neben den Ressorts für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz sowie Umwelt, Landwirtschaft und Klimaschutz auch noch das Ministerium für die Landesentwicklung bekommen hätten. Er gab dann aber selbst zu: „Dafür reichten die Prozente bei der Wahl dann doch nicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen