piwik no script img

Labours Corbyn nach Brexit in der KritikLinke Kandidatenkür

Angela Eagle verließ das Schattenkabinett und will jetzt statt Jeremy Corbyn Labour-Chefin werden. Der gibt aber nicht auf.

Fand Corbyn zu lasch: EU-Verbleibsbefürworterin Angela Eagle Foto: dpa

Dublin t |az Angela Eagle will Labour-Chefin werden. Am Freitag werde sie ihre Kandidatur offiziell bekannt geben, kündigte sie am Donnerstag an. Sie tritt dann gegen Amtsinhaber Jeremy Corbyn vom linken Parteiflügel an, der ein Misstrauensvotum seiner Fraktion nach dem Brexit-Referendum haushoch verloren hat. Fast das gesamte Schattenkabinett des Oppositionsführers ist mittlerweile zurückgetreten.

Corbyn war im vergangenen September überraschend von der Parteibasis zum Oppositionsführer gewählt worden. Er hofft nun, dass er bei der bevorstehenden Wahl erneut auf die Mehrheit der Mitglieder zählen kann. Auch der Ortsverband seiner Rivalin Eagle hat sich bereits für Corbyn ausgesprochen.

Angela Eagle ist seit 1992 Mitglied des Unterhauses und erst die zweite offen lesbische Abgeordnete. Nach seiner Wahl als Parteichef hatte Corbyn sie zur Schattenministerin für Unternehmen und Innovation gemacht. Die 55-Jährige gehört zu jenen, die seit dem Wochenende aus Protest gegen Corbyns laschen Einsatz gegen den EU-Austritt Großbritanniens zurückgetreten sind.

In der Labour Party wird allerdings noch darüber beraten, ob Angela Eagle die Richtige ist, gegen Corbyn anzutreten. Sie ist umstritten: Im Jahr 2003 hat sie für den Irakkrieg gestimmt und spätere Untersuchungen über Großbritanniens Kriegsteilnahme abgelehnt.

Manche in der Partei bevorzugen Owen Smith vom linken Flügel. Er ist Waliser und war bis zum Wochenende Arbeitsminister im Schattenkabinett. Er soll die 51 Stimmen, die für eine Nominierung notwendig sind, bereits zusammenhaben.

Mit IS-Vergleich gegen Antisemitismus

Unterdessen wurde am Donnerstagnachmittag auch ein Bericht über die Untersuchung von Antisemitismus in der Labour Party vorgelegt. Autorin ist Shami Chakrabarti, bis März Direktorin der Bürgerrechtsorganisation Liberty. Ihr Fazit: Die Partei sei zwar nicht durchsetzt von Antisemitismus oder anderen Formen von Rassismus, aber es herrsche „bisweilen eine vergiftete Atmosphäre“.

Die Untersuchung wurde eingeleitet, nachdem die Abgeordnete Naz Shah und Londons Ex-Bürgermeister Ken Livingstone nach Antisemitismusvorwürfen aus der Partei ausgeschlossen worden waren.

Die Autorin der Studie erklärte, sie lehne einen lebenslangen Ausschluss ab. Sie legte 20 Empfehlungen vor: Dazu zählt das Verbot bestimmter Abkürzungen wie „Paki“ für ethnische Minderheiten, die Ablehnung von Hitler-Vergleichen bei Debatten über Israels Verhältnis zu Palästina sowie die eine größere ethnische Vielfalt des Labour-Personals.

Corbyn sagte, er werde die Empfehlungen sofort umsetzen, und fügte hinzu: „Unsere jüdischen Freunde sind genauso wenig verantwortlich für die Aktionen Israels oder der Netanjahu-Regierung, wie unsere muslimischen Freunde für die Taten des selbsternannten „Islamischen Staates“ oder anderer Organisationen verantwortlich sind.“ Diese Äußerung stieß nicht nur bei seinen Gegnern auf scharfe Kritik, weil er Israel mit dem IS zu vergleichen schien – was Corbyn aber bestritt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich empfehle, zur Ergänzung zu Ralf Sotscheks Artikel diesen Text von TAZ-Autor Jens Berger zu lesen: http://www.nachdenkseiten.de/?p=34018 - er bekräftigt, was Sotschek andeutet: Die Parteibasis ist für Corbyn!

  • "Diese Äußerung stieß nicht nur bei seinen Gegnern auf scharfe Kritik, weil er Israel mit dem IS zu vergleichen schien [...]." - Ein angemessener Vergleich. Verbrecherische Idioten unter sich. Hauptsache: Krieg!

  • Zum GLück steht die Parteibasis hinter Corbyn. Jetzt muss Corbyn nur noch stark genug sein um diesen Putschversuch abzuweren.

    Das könnte für die Putschisten (im Kern nur 10-15 MP's) auch nach hinten los gehen weil eben die Parteibasis (darunter auch viele junge und neue Mitglieder) dieses Vorgehen misbilligen. Ganz spontan haben sich in London über 10.000 (polizeischätzung) auf der Straße hinter Corbyn gestellt.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Soll sie antreten und sich ihren Watschen abholen. Meine Wette: Corbyn wird aus diesem Putschversuch gestärkt hervorgehn, denn die Mitglieder sind nicht gar so blöd, dass sie einen integren Politiker nicht von einem Symbolpolitiker unterscheiden können. Corbyn hat das politische Ethos auf seiner Seite und wenn einer Labour reformieren kann, dann er. Gäbe es so einen in und für die SPD, jemanden wie Schreiner damals, er hätte meine Stimme. Das sind Politiker, die nicht designt werden müssen und einer von denen ist heute mehr wert als die halbe restliche Partei an PR-Profis, Marktschreiern und Karrieristen.