piwik no script img

LIEBESERKLÄRUNGVerfassungsschutz

DIE JÜNGSTEN ENTHÜLLUNGEN ÜBER DIE V-MANN-SZENE ZEIGEN ZUMINDEST EINES: WELCHE ART VON GEHEIMDIENST WIR NICHT BRAUCHEN

Kompliment, Verfassungsschutz: Es ist erstaunlich, wie gut der deutsche Inlandsgeheimdienst in der rechten Szene positioniert war. Sein Netz von V-Leuten hatte das NSU-Kerntrio komplett umzingelt.

Und nicht nur das: Diese Woche ist bekannt geworden, dass das Netzwerk der V-Leute die Untergetauchten sogar mit Jobs versorgt und möglicherweise Fahrzeuge für sie angemietet hat (Ralf Marschner, Deckname „Primus“). Schon vorher wusste man, dass V-Leute dem NSU-Kern bei der Flucht halfen oder sogar Sprengstoff lieferten (Thomas Starke aka „VP 562“) sowie ideologische und strukturelle Vorarbeit für die Radikalisierung leisteten (Tino Brandt, „Otto“). Schätzungen gehen von circa 25 Quellen im NSU-Umfeld aus.

Viele Spitzel haben geredet: „Tarif“ sprach über „drei Personen aus Thüringen“. „Corelli“ übergab NSU-CDs. „Piato“ gab Hinweise auf „Überfälle“ und die Absicht, sich zu bewaffnen. Doch die meisten Akten über die Spitzel in Thüringens Neonaziszene hat der Dienst kurz nach Auffliegen des NSU 2011 geschreddert.

Vielleicht war einfach zu kriminell, was darin stand. Helmut Roewer, Chef des thüringischen VS in den Neunzigern, alimentierte rechte V-Leute üppig, auch darum musste er 2000 seinen Platz räumen. Heute schreibt er für Compact und Junge Freiheit, Plattformen für Rechtsextremisten, Antisemiten und Revisionisten. Unter Roewer hat der VS in der „Operation Rennsteig“ das V-Leute-System in Thüringen aufgebaut.

Wie hätte man unter diesen Umständen Gefahren von rechts erkennen können? Die Behörde und ihre V-Leute waren Teil des Problems.

Das muss man dem VS Thüringen lassen: Er hat ganz wunderbar herausgearbeitet, dass das beste V-Leute-Netzwerk nichts bringt, wenn eine Behörde Erkenntnisse bewusst ignoriert, polizeiliche Ermittlungen sabotiert und dem Beobachtungsobjekt ideologisch nahesteht. Nicht alles davon gilt nur für Thüringen: Marschner war Spitzel des Bundesamtes. Gareth Joswig

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen