LGBT-Gegner in Israel: „Sie merken, dass sie verlieren“
Orthodox und schwul – für Daniel Jonas ist das kein Gegensatz. Religion diene oft als Vorwand für Homophobie. Doch die Lage bessere sich.
taz: Herr Jonas, vor einem Jahr hat ein ultraorthodoxer Jude während der Pride-Parade in Jerusalem eine Frau erstochen. Was hat sich für die LGBT-Community in der Stadt verändert?
Daniel Jonas: Auf der einen Seite hat der Mord an Shira Banki viele Rabbiner dazu gebracht, ihren Ton gegenüber Homosexuellen deutlich abzumildern. Gleichzeitig hat der Mord unsere Gegner dazu gebracht, sich auf die Hinterbeine zu stellen, denn sie fühlen sich zu recht bedroht. Sie merken, dass sie den Kampf verlieren, also mobilisieren sie sämtliche Reserven. Erst diese Woche hat ein Rabbiner, Chef einer öffentlichen Schule, von den „Perversen“ gesprochen, die „den Staat übernehmen“. Das ist ein Mann, der vom Erziehungsministerium bezahlt wird. Aus seiner Perspektive ist die Sorge berechtigt. Der Wind bläst ihm ins Gesicht.
Inwiefern?
Es gibt immer mehr orthodoxe Rabbiner, die dazu aufrufen, fromme Schwule in den Synagogen beten zu lassen und in die Gemeinden aufzunehmen. Wir gelten zwar unverändert als Sünder, aber man solle uns mit Nachsicht entgegenkommen.
Wie geht das für Sie zusammen – fromm und schwul? Wie sieht Ihr Diskurs mit Gott aus?
Das Problem ist weder Gott noch die Religion, sondern die Religiösen, die Religion als Vorwand für Homophobie nutzen. Das orthodoxe Judentum hat über die Jahrhunderte Lösungen für weit kompliziertere Probleme gefunden. Würden wir strikt nach der Halacha (jüdisches Gesetzbuch, Anm. d. Red.) leben, dann dürfte es keine jüdischen Banken geben, denn Zinsen zu verlangen, ist verboten. Alle sieben Jahre müssten sämtliche Schulden aufgehoben werden. Die Liste ist lang.
Sind Sie oder Ihr Partner jemals angegriffen worden?
Uri und ich sind seit sechs Jahren zusammen und haben vor zwei Jahren in Kopenhagen geheiratet. Wir sind noch nie angegriffen worden, aber wir hören von Freunden, die beschimpft worden sind. Das kann überall passieren, auch in Tel Aviv, je nachdem, wo man sich dort aufhält. Es gibt keine Stadt, in der überall immer alles prima ist. Aber nach dem Mord letztes Jahr hängen mehr Leute in Jerusalem Regenbogenfahnen auf, auch Heteros.
34, ist Vorsitzender von Havruta, einer Organisation für jüdisch-orthodoxe Schwule. Er wurde in Jerusalem geboren und lebt dort bis heute.
Was sagen Sie zum Vorwurf des Pinkwashing, dem Versuch Israels, Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten hinter dem rosa Vorhang der Liberalität gegenüber LGBT zu vertuschen?
Es gibt keinen Staat auf der Welt, in dem alles perfekt ist. Aber das heißt nicht, dass man sich nicht rühmen darf für die Dinge, die gut funktionieren. Ich finde es absolut legitim, dass Israel auf die bisher erreichten Rechte für Schwule stolz ist. Gleichzeitig kritisieren wir die Dinge, die noch verändert werden müssen, die Besatzung oder auch die Armut im Land.
In jedem Fall aber sollte der Staat tatsächlich die Politik verfolgen, mit der er sich im Ausland zu vermarkten versucht. Das Tourismusministerium hat für die Werbekampagne im Vorfeld der Gay-Parade in Tel Aviv 11 Millionen Schekel bekommen. Nur ein Prozent davon würde uns in Jerusalem für eine Vollzeitstelle reichen. Schön, dass ihr euch so liberal gebt, aber bei uns kommt davon nichts an.
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