LER-Unterricht: Keine Ausrede mehr für Berlin
Mehr als zehn Jahre hat der Streit gedauert, jetzt ist er (gähn!) beendet: LER und der Religionsunterricht sind in Brandenburg de facto gleichberechtigt. „Reli“ wurde aufgewertet, die Kirchen haben im Wesentlichen erreicht, was sie wollten. Dafür hat die Potsdamer Landesregierung ihr Gesicht gewahrt: LER bleibt das reguläre Pflichtfach, von dem sich allerdings die Schülerinnen und Schüler Brandenburgs nun ohne Probleme oder kleinere Nachteile zugunsten des Religionsunterrichts abmelden können. Warum nicht gleich so! Ja, warum?
Kommentar vonPHILIPP GESSLER
Der LER-Streit war eben in den vergangenen Jahren zu einem kleinen Glaubenskrieg verkommen, in dem zwei grundsätzlich verschiedene Konzepte von Staat und Gesellschaft aufeinander prallten: Dort die aus der weitgehend säkularisierten DDR überlieferte Vorstellung, Religion und Staat seien so weit wie möglich zu trennen, der Glaube bestenfalls Privatsache. Hier die aus der bundesrepublikanischen Tradition stammende Idee, dass beide Sphären nicht glatt zu trennen seien, dass auch der Glaube gesellschaftliche und politische Bedeutung habe, wichtige Werte vermittle und Verantwortung übernehmen müsse. Angesichts dieser Differenzen war es logisch, dass der Streit so lange dauern musste. Verwunderlich ist es gar, dass es überhaupt zu einem so klugen Kompromiss gekommen ist, Karlsruher Weitsicht sei Dank.
Doch nun heißt es, endlich auch das Berliner Religionsunterricht-Problem anzupacken. Die alte Ausrede „Wir warten wegen der bald erhofften Fusion auf die LER-Entscheidung in Brandenburg“ – diese Ausrede gilt nicht mehr. Das Potsdamer Beispiel zeigt, wie eine clevere Lösung aussehen kann: Ein werteorientierter Unterricht im Sinne von LER, ergänzt durch einen gleichwertigen Religionsunterricht der verschiedenen Religionen und Konfessionen, ist möglich und nötig.
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