Kurdische Journalistin freigelassen: Eine der letzten Reporterinnen
Kaum jemand berichtet noch unabhängig aus der Südost-Türkei. Nach ihrer Festnahme wurde die Journalistin Hatice Kamer nun wieder freigelassen.
Hatice Kamer, eine kurdische Journalistin, die überwiegend für den türkischen Dienst der BBC und gelegentlich für den WDR berichtet, wollte sich den Besuch der Staatspräsidentengattin anschauen. Sie kam nie an. An einer Straßensperre etliche Kilometer vor dem Dorf wurde sie angehalten. Ihre Personalien wurden überprüft. Man brachte sie ins Hauptquartier der Anti-Terror Polizei in Siirt. Dort hielt man sie fest.
Nach Angaben des türkischen Dienstes der BBC ist Kamer in der Zwischenzeit freigekommen. Sie wird derzeit ärztlich untersucht, damit festgestellt werden kann, ob es bei ihrer Festnahme zu Misshandlungen durch die Polizei gekommen ist.
Über die Gründe für ihre Festnahme gibt es keine offiziellen Angaben. Doch die liegen auf der Hand. Hatice Kamer, 39 Jahre alt, ist eine der letzten kurdischen Journalisten, die noch aus dem Südosten des Landes aktuell berichten. Seit alle Zeitungen in der Türkei, in denen sie früher ihre Artikel veröffentlichte, vom Staat geschlossen wurden, arbeitet sie für die BBC, den WDR und andere ausländische Sender.
Sie ist ein Tabu
Dem Staat ist sie schon länger ein Dorn im Auge, denn sie redet und schreibt ungeschminkt über die Gewalt und Repression in der Region und geht dahin, wo der Staat kritische Berichterstattung nicht wünscht – seien es die bis vor wenigen Monaten umkämpften Städte wie Nusaybin oder Cizre, sei es die Vernichtung der Altstadt von Diyarbakır oder jetzt das Grubenunglück in Șirvan: Kamer war immer vor Ort.
Für den WDR veröffentlichte sie unlängst eine Reportage über das Schicksal einer Familie, deren Sohn in Sur, der Altstadt von Diyarbakır ermordet worden war. Die Mutter weiß bis heute nicht, wo und wie er getötet wurde. Sie konnte den Leichnam erst begraben, als nach Monaten die Kämpfe mit der weitgehenden Zerstörung von Sur beendet waren.
Hatice Kamer
Die Arbeit von Hatice Kamer ist so wichtig, weil sich nur noch wenige Journalisten trauen, direkt aus den Kurdengebieten zu berichten. Die großen türkischen Zeitungen schreiben kaum noch über die kurdische Region. „Für die türkischen Medien sind die Schicksale der Muslime in Myanmar oder auf den Philippinen wichtiger als die Unterdrückung der Kurden“, schrieb Kamer in ihrer WDR-Reportage.
Für ausländische Korrespondenten ist die kurdische Region mittlerweile weitgehend tabu. Es gibt kein offizielles Verbot, die Region zu besuchen, aber wer es versucht, landet meist schnell auf einer Polizeistation. Für Fernsehjournalisten ist es mittlerweile unmöglich dort zu filmen. Aber auch weniger auffällige, schreibende Journalisten, werden von den Sicherheitskräften zumeist schnell identifiziert und anschließend unter Druck gesetzt. Erst kürzlich wurde der französische Journalist Olivier Bertrand in Gaziantep festgenommen und nach drei Tagen Polizeihaft nach Frankreich abgeschoben.
Vielleicht hat es geholfen
Hatice Kamer dagegen ist eine Journalistin von vor Ort. Sie wurde in der Provinz Diyarbakır geboren, hat als Kind die schlimmen Jahre nach dem Militärputsch 1980 und dem anschließenden jahrelangen Ausnahmezustand in der kurdischen Region miterlebt. Sie kennt die Leute und die Arbeitsbedingungen, zuletzt war sie Vorsitzende des Journalistenverbandes von Diyarbakır.
Nach ihrer Festnahme am Samstag hatte sie keinen Kontakt zur Außenwelt. Auch ihr Anwalt durfte sie nicht besuchen, wegen des Ausnahmezustandes durfte die Polizei fünf Tage lang jeden Kontakt verweigern. Auch ihre Schwester bestätigte dem WDR, dass sie Kamer nicht besuchen durfte.
Die BBC, der WDR, verschiedene Journalistenverbände und Reporter ohne Grenzen hatten ihre sofortige Freilassung gefordert. Vielleicht hat es geholfen.
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