Kunstausstellung: Was Berlin von der Welt weiß
Der Martin-Gropius-Bau zeigt eine Schau über 300 Jahre Wissenschaft in Berlin. Neben Gipsbüsten und Manuskripten findet sich da auch Dutschkes Lederjacke
Vorab bemerkt: Derzeit sind es nur 750 Meter von der taz-Redaktion in der Rudi-Dutschke-Straße bis zur Lederjacke des Namensgebers. Das Kleidungsstück hängt im Martin-Gropius-Bau in einem Glaskasten: braun, ziemlich speckig und mit rotem Bündchen. Sie ist der Teil der Ausstellung "Weltwissen - 300 Jahre Wissenschaften in Berlin", die ab dem heutigen Freitag geöffnet ist.
Zu sehen gibt es jede Menge: Gipsbüsten berühmter Philosophen, ethnologische Sammelsurien in Vitrinen. Ab und zu ein bisschen Technik zum Draufdrücken oder Reinhören und ein paar sehr beeindruckende Exponate: die Partitur der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven beispielsweise, die nach dem zweiten Weltkrieg zur Hälfte in Ost- und zur anderen Hälfte in Westberlin aufbewahrt wurde. Die Kuratoren zeigen die vergilbten, rissigen Notenblätter im Ledereinband erstmals wieder als Einheit - und als Symbol der Wiedervereinigung und des Zusammenwachsens.
Die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau ist der Höhepunkt des Berliner Wissenschaftsjahrs, in dem mehrere Institutionen der Stadt Jubiläum feiern - darunter die Charité, die seit 300 Jahren besteht; die Humboldt-Universität, an der seit 200 Jahrem geforscht wird; und das Max-Planck-Institut, das 100 Jahre alt wird. "Wir wollen zeigen, was Berlin für die Wissenschaft der Welt geleistet hat", sagte Bildungssenator Jürgen Zöllner zur Eröffnung. "Es geht um Leistungen und Impulse, von denen man sagen kann, dass sie die Welt verändert haben." Doch die Schau soll nichts beschönigen: Man wolle "sowohl die Leistungen als auch die dramatischen Fehlleistungen der Berliner Universitäten zeigen", sagte Chistoph Markschies, der Präsident der Humboldt-Universität.
Die Ausstellung gliedert sich in drei Teile und beginnt mit einer Installation im Lichthof des Gropius-Baus. Ein überdimensionales Regal des Künstlers Mark Dion, 35 Meter lang und 15 Meter hoch, empfängt die Besucher. Der Kolossalkopf der Juno Ludovisi steht in einem der Regalfächer und eine antike, tönerne Amphore aus dem Sudan.
Ausgehend vom Lichthof gibt es zwei Rundgänge. Einen, der einen historischen Überblick über die Entwicklung der Forschung und Wissenschaft Berlins geben will. Er führt vom 18. Jahrhundert und der Gründung der Akademie der Wissenschaften über die Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin entwickelte Bogenlampe bis zur Wiedervereinigung. 16 Wissenschaftler schildern hier in Schaukästen und Hörstationen, wie sie nach der Wende das Zusammenwachsen der Wissenschaftssysteme von Ost und West erlebt haben, zum Beispiel die Mathematikerin Roswitha März von der Humboldt-Uni.
Der zweite Rundgang soll Forschung plastisch darstellen und den Weg zur Erkenntnis transparent machen. Hier sind zum Beispiel bekritzelte Fragmente von Walter Benjamins Passagenwerk ausgestellt, Präparate der anatomischen Lehrsammlung und Gipsabgüsse antiker Skulpturen - aufgereiht auf Podesten, irgendwie ganz hübsch, aber irgendwie auch unspannend. Generell wird manches so präsentiert, dass man sich an eine Ausstellung vor 100 Jahren erinnert fühlt.
Die Lederjacke von Rudi Dutschke steht übrigens für die 60er Jahre und den Zeitgeist, der auch in der Wissenschaftslandschaft für neuen Wind gesorgt hat.
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