Kunstausflug nach Cottbus: Ein Wunder in der Lausitz
Das Cottbuser Dieselkraftwerk klingt nach in die Jahre gekommener Schwerindustrie. Tatsächlich ist es das schönste Kunstmuseum Deutschlands.
Mit Cottbus ist das so eine Sache. Die einen kennen die Stadt im Osten Deutschlands nicht und fragen, wo sie überhaupt liegt. Die anderen wissen das so ungefähr und haben Klischees im Kopf, die meist irgendetwas mit Lausitz und Sorben, Braunkohle und Neonazis zu tun haben. Dabei lockt die Stadt auf halbem Weg von Berlin nach Dresden mit dem Dieselkraftwerk – dem wohl schönsten Kunstmuseum in Deutschland.
Vom Bahnhof nimmt man am besten den halbstündigen Spaziergang Richtung Altstadt in Kauf. Dabei fallen zweisprachige Straßenschilder ins Auge. Die Karl-Liebknecht-Straße etwa heißt auf Sorbisch „K. Liebknechtowa droga“. Auf dem Weg liegt das Theater, im Jugendstil erbaut, schon mal ein echter Hingucker. Vis-à-vis hängt an einem Gebäude ein regenbogenfarbenes Banner, „Cottbus ist bunt“ steht darauf. Man sieht es häufiger in der Stadt.
Das Dieselkraftwerk Cottbus ist Teil des Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst, kurz BLMK. Mit über 42.000 Werken beherbergt es „eine der wichtigsten Sammlungen von DDR-Kunst“, sagt Ulrich Röthke, Kustos der Sammlung Malerei, Grafik und Skulptur. Es liegt im malerischen Goethepark mit alten Bäumen und einem Teich samt Enten.
Das Wunder
Der Name deutet auf die ursprüngliche Bestimmung hin: 1928 als Kraftwerk in Betrieb gegangen, wurde es schon Ende der 1950er stillgelegt, jedoch als Werkstatt weiter genutzt. Nach der Wende leer stehend, verfiel der Gebäudekomplex zusehends. Es gab auch mal Pläne, hier ein Musicaltheater anzusiedeln – doch „daraus wurde zum Glück nichts“, wie Ulrich Röthke noch heute erleichtert sagt.
Und dann geschah so etwas wie ein kleines Wunder hier in der Lausitz, von wegen Aufbau Ost: Von 2004 bis 2008 wurde das Kraftwerk für die Kunst – die bis dahin in einem ehemaligen Kaufhaus in der Altstadt ausgestellt wurde – umgebaut. Behutsam, wie man sehen kann, mit Sinn und Verstand. Und mit viel Geld, insgesamt flossen hier rund 8 Millionen von EU, Land und Kommune. Das ist, hier in der ostdeutschen Randlage, mehr als gut angelegt und stellt eine mehr als kluge Investition in die Zukunft dar.
Mit der „historischen Bausubstanz ging man sensibel um“, sagt Ulrich Röthke. Recht hat er. Denkmalschutz und Ansprüche an ein modernes Museum mit all seinen konservatorischen und raumklimatischen Bedingungen gehen zusammen. Und genau das macht den Reiz aus.
Das Neue im Alten
Das Berliner Büro Claus Anderhalten Architekten hat einen Innenhof überdacht und so zum sachlich-schicken Entree gemacht. Von hier aus gelangt man in die Ausstellungsräume. Die historische Bausubstanz umgibt sie als Hülle: Mitten in die alte riesige Halle, wo früher der Dieselgenerator stand, haben die Architekten einen Betonkubus gesetzt. Auf der einen Seite sind die alten Klinkersteine, türkisfarbene Kacheln von anno dazumal und kräftiges Rot an den monumentalen, kathedralhaften Fenstern von einst zu sehen. Auf der anderen Seite blanker Sichtbeton, Stahl und Glas in den neu hinzugefügten Museumsteilen.
Das Programm
In den sechs unterschiedlich großen Ausstellungsräumen – insgesamt 1.250 Quadratmeter – sind vor allem, aber nicht nur Stücke aus der hauseigenen Sammlung zu sehen. Noch bis 5. Dezember läuft etwa die Ausstellung „Strukturen im Wandel – Die Zukunft hat schon begonnen“, die vom Leben in Industrielandschaften erzählt – wie passend in der vom Braunkohleabbau geschundenen Lausitz.
Und ab 18. Dezember sind Schlüsselwerke aus der Sammlung Chagas Freitas’ zu sehen, der als Kulturattaché der brasilianischen Botschaft in der DDR Kunst sammelte. Es handelt sich um die größte Sammlung von DDR-Kunst im Ausland. Es könnte keinen passenderen Ausstellungsort als Cottbus geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos